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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 19.03.2024, RV/1200018/2021

Keine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer wegen Nichterfüllens der Voraussetzungen

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch ***V***, ***V-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Zollamtes Feldkirch Wolfurt (nunmehr Zollamt Österreich) vom , Zahl ***1***, betreffend Einfuhrumsatzsteuer und Verzugszinsen, zu Recht erkannt:

I. Der angefochtene Bescheid wird dahingehend abgeändert, dass die Einfuhrumsatzsteuer gemäß Art. 79 Abs. 1 UZK in Verbindung mit § 2 Abs. 1 ZollR-DG und § 26 Abs. 1 UStG 1994 entstanden ist.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Mit Bescheid vom , Zahl ***1***, teilte das Zollamt Feldkirch Wolfurt der Beschwerdeführerin betreffend die im Zeitraum vom 4. Jänner bis im Verfahren 42 als indirekte Vertreterin der ***2*** in den freien Verkehr übergeführten Waren die nachträgliche buchmäßige Erfassung von Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von insgesamt € 37.621,60 mit und setzte gleichzeitig Verzugszinsen in Höhe von € 1.093,09 fest, weil die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 nicht vorliegen würden.

Mit Schriftsatz vom brachte die Beschwerdeführerin dagegen den Rechtsbehelf der Beschwerde ein.

Die Beschwerdeführerin bringt darin im Wesentlichen vor, dass die Annahme der Behörde, dass das Vorhandensein einer gültigen UID-Nummer eine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerfreiheit der Einfuhr gemäß Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 darstelle, unrichtig sei. Es komme lediglich darauf an, dass tatsächlich eine innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt werde. Die Gegenstände müssten auch nicht genau an die Adresse des Erwerbers versandt oder befördert worden sein. Da die Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon auszugehen scheint, dass die Einfuhren getätigt wurden, um unmittelbar eine innergemeinschaftliche Lieferung nach Polen durchzuführen, die Waren tatsächlich nach Polen befördert worden seien und der Abnehmer Unternehmer sei, der die Lieferungen für Zwecke seines Unternehmens bezogen habe, hätte die Einfuhrumsatzsteuer nicht mitgeteilt werden dürfen. Die Abgabenbehörde habe es unterlassen hierzu eindeutige Sachverhaltsfeststellungen zu treffen und die entsprechenden Beweise aufzunehmen.

Die Beschwerdefüherin habe sich auch mit den Geschäftspartnern ***3*** und ***4*** sowie der ***2*** über mehrere Jahre hinweg in ständiger Geschäftsbeziehung befunden und seit 2014 mit der zuletzt genannten Gesellschaft als Abnehmer mehr als 500 Verzollungen durchgeführt, bei denen es über Jahre hinweg keinerlei Beanstandungen und auch keine Zweifel gegeben habe, dass die UID-Nummer nicht gültig sein könnte. Dennoch habe die Beschwerdeführerin die Gültigkeit der UID-Nummer der letztgenannten Gesellschaft am geprüft. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei im Fall einer langjährigen unproblematischen Geschäftsbeziehung keine regelmäßige Inanspruchnahme eines Bestätigungsverfahren erforderlich. Die Beschwerdeführerin habe daher die diesbezüglichen Sorgfaltspflichten eines ordentlichen Kaufmans bzw. Unternehmers sogar übererfüllt. Es komme ihr daher der in Art. 7 Abs. 4 BMR normierte Vertrauensschutz zugute.

Gegen die abweisende Beschwerdevorentscheidung, Zahl ***8*** vom , brachte die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom den Vorlageantrag ein.

Nach Durchführung einer Erörterung der Sach- und Rechtslage am wurden mit Eingabe vom die Anträge auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Entscheidung durch den gesamten Senat sowie die Einvernahme der beantragten Zeugen zurückgenommen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zu Spruchpunkt I.

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin, ein Speditionsunternehmen, beantragte im Zeitraum vom 4. Jänner bis mit näher bezeichneten Zollanmeldungen beim Zollamt Feldkirch Wolfurt die Überführung von Waren in den freien Verkehr mit steuerbefreiender Lieferung (Verfahrenscode 42). Die Zollanmeldungen wurden wie angemeldet angenommen und die Waren überlassen. Die Einfuhrumsatzsteuer wurde zunächst nicht festgesetzt.

Als Empfänger der Waren wurde in den Zollanmeldungen die ***2*** erklärt. Auch in den Rechnungen scheint die ***2*** als Käufer auf. Die erklärte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer(UID-Nr.) stellte sich jedoch als ungültig heraus. Diese war der Gesellschaft bereits am aberkannt worden, weil es an der angegebenen Adresse (***5***) kein Unternehmen mehr betrieb.

Der Nachweis, dass die Waren tatsächlich vom angegebenen Unternehmen innergemeinschaftlich zur eigenen Verfügung verbracht wurden bzw. dass das Unternehmen bis zum Ende der Beförderung über die Waren verfügungsberechtigt gewesen ist, wurde nicht erbracht.

Rechtslage

§ 26 Abs. 1 erster Satz UStG 1994 lautet:

§ 26.(1) Soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, gelten für die Einfuhrumsatzsteuer die Rechtsvorschriften für Zölle sinngemäß; ausgenommen sind die Vorschriften über den passiven Veredlungsverkehr. …"

Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 lautet:

"(3) Steuerfrei ist die Einfuhr der Gegenstände, die vom Anmelder im Anschluß an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (Art. 7) verwendet werden; der Anmelder hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 7 buchmäßig nachzuweisen. Die Befreiung ist nur anzuwenden, wenn derjenige, für dessen Unternehmen der Gegenstand eingeführt worden ist, die anschließende innergemeinschaftliche Lieferung tätigt.

Weiters ist Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung, dass der Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer zum Zeitpunkt der Einfuhr den Zollbehörden die unter lit. a und b) genannten Angaben zukommen lässt und den unter lit. c genannten Nachweis erbringt:

a) seine im Inland erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer oder die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer seines Steuervertreters;

b) die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers im Falle der innergemeinschaftlichen Lieferung nach Art. 7 Abs. 1 oder seine eigene Umsatzsteuer-Identifikationsnummer im Falle des der Lieferung gleichgestellten Verbringens nach Art. 7 Abs. 2;

c) den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, vom Inland in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet zu werden.

Art. 7 UStG 1994 lautet auszugsweise:

"Art. 7. (1) Eine innergemeinschaftliche Lieferung (Art. 6 Abs. 1) liegt vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen vorliegen:

1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;

2. der Abnehmer ist

a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,

b) ... oder

c) ...

3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung ist beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat steuerbar.
...

(2) ...

(3). Die Voraussetzungen der Abs. 1 und 2 müssen vom Unternehmer buchmäßig nachgewiesen sein. Der Bundesminister für Finanzen kann durch Verordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet worden ist.

(4) Hat der Unternehmer eine Lieferung als steuerfrei behandelt, obwohl die Voraussetzungen nach Abs. 1 nicht vorliegen, so ist die Lieferung als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtige Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. In diesem Fall schuldet der Abnehmer die entgangene Steuer. In Abholfällen hat der Unternehmer die Identität des Abholenden festzuhalten."

Gemäß Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 gilt als Lieferung gegen Entgelt das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur - näher definierten - vorübergehenden Verwendung, auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Inland eingeführt hat. Der Unternehmer gilt als Lieferer.

Art. 79 der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Festlegung des Zollkodex der Union (Zollkodes -UZK) lautet:

"Artikel 79 Entstehen der Zollschuld bei Verstößen

(1) Für einfuhrabgabenpflichtige Waren entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn Folgendes nicht erfüllt ist:

a) eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf das Verbringen von Nicht-Unionswaren in das Zollgebiet der Union, auf das Entziehen dieser Waren aus der zollamtlichen Überwachung oder auf die Beförderung, Veredelung, Lagerung, vorübergehende Verwahrung, vorübergehende Verwendung oder Verwertung dieser Waren in diesem Gebiet,

b) eine der in den zollrechtlichen Vorschriften festgelegten Verpflichtungen in Bezug auf die Endverwendung von Waren innerhalb des Zollgebiets der Union,

c) eine Voraussetzung für die Überführung von Nicht-Unionswaren in ein Zollverfahren oder für die Gewährung der vollständigen oder teilweisen Befreiung von den Einfuhrabgaben aufgrund der Endverwendung der Waren."

§ 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) lautet:

§2.(1)Das im §1 genannte Zollrecht sowie die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften und das in Österreich anwendbare Völkerrecht, soweit sie sich auf die Einfuhr oder Ausfuhr von Waren beziehen, gelten weiters in allen nicht vom Zollkodex erfaßten unionsrechtlich und innerstaatlich geregelten Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben (sonstige Eingangs- oder Ausgangsabgaben) und anderen Geldleistungen, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

§ 5 ZollR-DG lautet:

"§ 5. Wer im Verfahren der Zollbehörden eine abgabenrechtliche Begünstigung oder eine Verfahrenserleichterung in Anspruch nehmen will oder einen Wegfall der Folgen einer Zollzuwiderhandlung anstrebt, hat dies geltend zu machen und das Vorliegen der hiefür maßgebenden Voraussetzungen der Zollbehörde nachzuweisen. Wenn der Nachweis nach den Umständen nicht zumutbar ist, genügt die Glaubhaftmachung."

§ 54 ZollR-DG lautet:

§ 54. In den Fällen einer Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1994 schuldet eine nach Art. 79 Abs. 1 des Zollkodex entstehende Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder, wenn er nicht bereits nach Art. 79 Abs. 3 und Abs. 4 des Zollkodex als Schuldner in Betracht kommt.

Die Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 (BMR) beruht auf der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABlEU Nr. L 347 vom (im Folgenden: MwSt-SystRL).

Im Titel III "Steuerpflichtiger" der MwSt-SystRL lautet Artikel 9 Abs. 1:

"Als Steuerpflichtiger gilt wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbständig ausübt"

Im Titel IX "Steuerbefreiungen" der MwSt-SystRL lautet unter Kapitel 1 "Allgemeine Bestimmungen" der Artikel 131:

"Artikel 131
Die Steuerbefreiungen der Kapitel 2 bis 9 werden unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften und unter den Bedingungen angewandt, die die Mitgliedstaaten zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung dieser Befreiungen und zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerumgehung oder Missbrauch festlegen."

Im Kapitel 4 "Steuerbefreiungen bei innergemeinschaftlichen Umsätzen" des Titels IX der MwSt-SystRL lautet Art. 138 Abs. 1:

"Artikel 138

(1) Die Mitgliedstaaten befreien die Lieferungen von Gegenständen, die durch den Verkäufer, den Erwerber oder für ihre Rechnung nach Orten außerhalb ihres jeweiligen Gebiets, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferung an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nicht steuerpflichtige juristische Person bewirkt wird, der/die als solche/r in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns der Versendung oder Beförderung der Gegenstände handelt."

Artikel 143 MwSt-SystRL lautet auszugsweise:

"Artikel 143

Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

d) die Einfuhr von Gegenständen, die von einem Drittgebiet oder einem Drittland aus in einen anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat der Beendigung der Versendung oder Beförderung versandt oder befördert werden, sofern die Lieferung dieser Gegenstände durch den gemäß Art. 201 als Steuerschuldner bestimmten oder anerkannten Importeur bewirkt wird und gemäß Art. 138 befreit ist;

(2) Die Steuerbefreiung gemäß Absatz 1 Buchstabe d ist in den Fällen, in denen auf die Einfuhr von Gegenständen eine Lieferung von Gegenständen folgt, die gemäß Artikel 138 Absatz 1 und Absatz 2 Buchstabe c von der Steuer befreit ist, nur anzuwenden, wenn der Importeur zum Zeitpunkt der Einfuhr den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats mindestens die folgenden Angaben hat zukommen lassen:

a) seine im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer oder die im Einfuhrmitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer seines Steuervertreters, der die Steuer schuldet;

b) die in einem anderen Mitgliedstaat erteilte MwSt.-Identifikationsnummer des Erwerbers, an den die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 1 geliefert werden, oder seine eigene MwSt.-Identifikationsnummer, die in dem Mitgliedstaat erteilt wurde, in dem die Versendung oder Beförderung der Gegenstände endet, wenn die Gegenstände gemäß Artikel 138 Absatz 2 Buchstabe c verbracht werden;

c) den Nachweis, aus dem hervorgeht, dass die eingeführten Gegenstände dazu bestimmt sind, aus dem Einfuhrmitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versandt zu werden.

Allerdings können die Mitgliedstaaten festlegen, dass der Nachweis nach Buchstabe c den zuständigen Behörden lediglich auf Ersuchen vorzulegen ist."

Rechtliche Erwägungen und Beweiswürdigung

Die Steuerfreiheit nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 setzt einerseits eine Einfuhr aus einem Drittland oder einem Drittgebiet und andererseits eine sich an die Einfuhr anschließende (steuerfreie) innergemeinschaftliche Lieferung voraus, wobei ein innergemeinschaftliches Verbringen einer Lieferung gleichgestellt ist (Art. 3 Abs. 1 UStG 1994).

Bei Erfüllung der Voraussetzungen wird die Umsatzsteuer in Form der Erwerbsteuer auf die aus einem Drittland in die Union versandten oder beförderten Gegenstände grundsätzlich zum ersten Mal nicht in dem Mitgliedstaat geschuldet, in den sie zuerst eingeführt wurden, sondern in dem Mitgliedstaat, in dem die Versendung oder Beförderung endet ( "Vetsch Int. Transporte GmbH", Rn 40).

Daraus folgt, dass im Falle des Nichterfüllens der Voraussetzungen die Steuer in dem Mitgliedstaat geschuldet wird, in denen die Waren zuerst eingeführt worden sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferung eines Gegenstands nur dann anwendbar,

- wenn das Recht, wie ein Eigentümer über diesen Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übertragen worden ist,
- wenn der Lieferer nachweist, dass der fragliche Gegenstand in einen anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert worden ist, und
- wenn der Gegenstand aufgrund dieses Versands oder dieser Beförderung den Liefermitgliedstaat physisch verlassen hat

(vgl. "Teleos u.a.", Rn. 42; ,"Mecsek-Gabona", Rn. 31; , "Traum",Rn. 24; ,"Enteco Baltic", Rn 66).

Die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung ist aber dann zu versagen,

  • - wenn sich der Steuerpflichtige an einer Steuerhinterziehung beteiligt hat, die das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems gefährdet hat, und indem er somit nicht im guten Glauben gehandelt und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich zu vergewissern, dass der von ihm getätigte Umsatz nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt oder

  • - wenn die Nichtbeachtung formeller Erfordernisse den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt worden sind

(vgl. ,"Euro Tyre", Rn 39f mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung; , "Enteco Baltic", Rn 59).

Im Beschwerdefall sind die Waren laut den den Zollanmeldungen zugrunde gelegten Rechnungen "ab Werk" geliefert worden. Die Beschwerdeführerin erklärte in den Zollanmeldungen den Verbringer/Erwerber der Waren indirekt zu vertreten. Es ist daher davon auszugehen, dass der Erwerber schon im Zeitpunkt der Anmeldung der Waren zur Überführung in den freien Verkehr die Verfügungsmacht über diese innehatte. Im Falle des tatsächlichen Beförderns der Waren in Anschluss an die Überführung in den freien Verkehr nach Polen liegt diesfalls ein der innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestelltes innergemeinschaftliches Verbringen im Sinne des Art. 3 UStG 1994 vor.

Es trifft zu, dass die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nicht allein deshalb abgelehnt werden darf, weil das formelle Erfordernis der Angabe einer (gültigen) UID-Nr. nicht erfüllt ist (vgl. , "Enteco Baltic", Rn 58).

Nach der Rechtsprechung des EuGH hat derjenige, der das Recht auf eine Befreiung von der Mehrwertsteuer beansprucht, d.h. der Lieferant von Gegenständen, den Beweis zu erbringen, dass die in Art. 138 Abs. 1 der MwSt-SystRL vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind (vgl. , "Enteco Baltic", Rn 67).

Die angegebene Erwerberin der Waren hat nach Feststellung der polnischen Steuerbehörde an der in den Zollanmeldungen (Rechnungen, Frachtbriefen) angegebenen Adresse kein Unternehmen (mehr) betrieben. Der Mietvertrag über die dortigen Räumlichkeiten wurde bereits mit aufgelöst. An einer weiteren der Behörde in Polen bekannt gegebenen Adresse (***6***) konnten ebenfalls keine Aktivitäten in Bezug auf die Betreibung eines Gewerbes festgestellt werden. Die behördlichen Schreiben der polnischen Steuerbehörde wurden zwar beim Postamt behoben, ein direkter Kontakt mit dem verantwortlich Handelnden der Gesellschaft konnte aber nicht hergestellt werden.

In den bezughabenden Frachtbriefen wurde dessen ungeachtet weiterhin die Übernahme der Waren durch die ***2*** an der Adresse ***5*** durch Firmenstempel bestätigt. Die Unterschrift der die Waren übernehmenden Person ist jedoch unleserlich.

Aufgrund der bestehenden Widersprüche ist der Nachweis, dass die ***2*** tatsächlich als Verbringer der Waren (und somit als Steuerpflichtiger im Sinne des Art. 9 der MwSt-SystRL) zur eigenen Verfügung tätig geworden ist bzw. die Verfügungsmacht über die Waren bis zum Ende der Beförderung innehatte, nicht erbracht worden.

Hierbei handelt es sich aber um ein materiell-rechtliches Erfordernis für die Befreiung von der Umsatzsteuer im innergemeinschaftlichen Verkehr (vgl. , "Ferimet SL", Rn 27). Somit liegt eine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung in Form eines innergemeinschaftlichen Verbringens zur eigenen Verfügung nicht vor. Daraus folgt, dass auch die Voraussetzungen für die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 nicht erfüllt. Die Nichtbeachtung des Erfordernisses einer gültigen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verhindert in den gegenständlichen Einfuhrfällen den sicheren Nachweis, dass die materiell-rechtlichen Anforderungen erfüllt worden sind.

Hinzu kommt, dass die verantwortlich Handelnden jedenfalls gewusst haben, dass dem angegebenen Unternehmen die UID-Nr. entzogen worden ist. Laut Feststellung der Betriebsprüfung/Zoll ist Herr ***9*** Gesellschafter der angegebenen Käuferin der Waren als auch alleiniger Gesellschaft der Verkäuferin. Trotzdem wurde das gegenüber der Beschwerdeführerin als Anmelderin diese Tatsache verschwiegen. Wenn die Beschwerdeführerin gewusst hätte, dass die UID-Nr. nicht mehr gültig ist, hätte sie die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer zweifelslos nicht beantragt.

Die Nacherhebung der Einfuhrumsatzsteuer erfolgte daher zu Recht.

Soweit sich die Beschwerdeführerin auf den Vertrauensschutz nach Art. 7 Abs. 4 UStG 1994 beruft, ist darauf zu verweisen, dass dieser in den gegenständlichen Einfuhrfällen nicht greift, weil es beim innergemeinschaftlichen Verbringen an einen Abnehmer mangelt, der unrichtige Angaben geliefert hätte.

Die belangte Behörde gründet das Entstehen der Einfuhrumsatzsteuerschuld im Beschwerdefall allerdings auf Art. 77 UZK und sieht die Beschwerdeführerin als Schuldnerin nach Art. 77 Abs. 3 erster Satz UZK.

Demgegenüber geht der Gesetzgeber in solchen Fällen von einem Entstehen der Einfuhrumsatzsteuerschuld nach Art. 79 Abs. 1 UZK aus, wie aus der Bestimmung des § 54 ZollR-DG ersichtlich ist. Auch der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen, in denen die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung des Art. 6 Abs. 3 UStG zu prüfen war, Art. 204 Abs. 1 ZK (Vorgängerbestimmung des Art. 79 Abs. 1 UZK) herangezogen (vgl. hierzu mwH).

Gemäß § 54 ZollR-DG schuldet in den Fällen einer Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 6 Abs. 3 UStG 1994 eine nach Art. 79 Abs. 1 entstehende Einfuhrumsatzsteuerschuld auch der Anmelder, wenn er nicht bereits nach Art. 79 Abs. 3 und 4 des Zollkodex als Schuldner in Betracht kommt. Die Beschwerdeführerin war im Beschwerdefall Anmelderin der in Rede stehenden Waren und damit Gesamtschuldnerin.

Die behauptete Gutgläubigkeit der Beschwerdeführerin gegenüber der von ihr vertretenen Verbringerin der Waren mag in einem Verfahren auf Erstattung der Einfuhrumsatzsteuer nach Art. 120 UZK in Verbindung mit § 73 ZollR-DG zu prüfen sein, welches zum Erlöschen der Zollschuld auch nur gegenüber einem Gesamtschulder führen kann, jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist (vgl. hierzu )

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Lösung der im Beschwerdefall zu entscheidenden Rechtsfrage ergibt sich aufgrund des Ergebnisses der Beweiswürdigung bereits aus dem Wortlaut der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen i.V.m. der hierzu ergangenen Rechtsprechung. Tatsachenfragen sind einer Revision im Allgemeinen nicht zugänglich. Die (ordentliche) Revision war daher als unzulässig zu erklären

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Zoll
betroffene Normen
Art. 3 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
§ 2 Abs. 1 ZollR-DG, Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994
§ 26 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 6 Abs. 3 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Art. 7 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994
Verweise



ECLI
ECLI:AT:BFG:2024:RV.1200018.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at