VwGH vom 21.02.2012, 2011/23/0296
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Josef Phillip Bischof, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Währinger Straße 26/1/3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/453.948/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, reiste am illegal in das Bundesgebiet ein, wo er Asyl beantragte. Mit rechtskräftigem Bescheid vom wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab und erklärte gemäß § 8 AsylG seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Bangladesch für zulässig.
Nach seiner Eheschließung mit einer österreichischen Staatsbürgerin am beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG". Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom abgewiesen. Bereits zuvor war mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom die Ehe des Beschwerdeführers rechtskräftig geschieden worden.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus und begründete dies zusammengefasst damit, dass dieser über keinen Aufenthaltstitel verfüge, sodass - vorbehaltlich des § 66 FPG - die Voraussetzungen zur Erlassung einer Ausweisung nach § 53 Abs. 1 FPG gegeben seien. Vor dem Hintergrund, dass sich der Beschwerdeführer seit sechs Jahren im Bundesgebiet aufhalte und seiner damit verbundenen Berufstätigkeit, sowie dass er seit 2004 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet gewesen sei, sei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser sei jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens dringend geboten, verstoße der Beschwerdeführer durch seinen nicht bloß kurzfristigen unrechtmäßigen Verbleib im Bundesgebiet im Anschluss an seine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG doch gravierend gegen die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften. Er könne seinen Aufenthalt im Bundesgebiet auch trotz seiner vormaligen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nicht vom Inland aus legalisieren. Die so bewirkte Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens sei von solchem Gewicht, dass die gegenläufigen privaten und familiären Interessen nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an seiner Ausreise aus dem Bundesgebiet. Die belangte Behörde kam daher zum Ergebnis, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers dringend geboten und iSd § 66 FPG zulässig sei, und es - mangels sonstiger, besonders zu seinen Gunsten sprechender Umstände - auch keine Veranlassung gebe, von der Ausweisung im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens Abstand zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof auf Basis der Sach- und Rechtslage bei seiner Erlassung zu überprüfen ist. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die in diesem Zeitpunkt (November 2008) geltende Fassung des genannten Gesetzes.
Unter der Überschrift "Ausweisung Fremder ohne Aufenthaltstitel" ordnet § 53 Abs. 1 FPG an, dass Fremde mit Bescheid ausgewiesen werden können, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er nach rechtskräftiger Abweisung seines Asylantrags und des Antrags auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung über keinen Aufenthaltstitel verfüge. Es bestehen somit keine Bedenken gegen die behördliche Annahme, der Ausweisungstatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei im vorliegenden Fall verwirklicht.
Wenn in der Beschwerde zunächst abermals - wie bereits in der Berufung - vorgebracht wird, dass die im Asylverfahren geltend gemachten Verfolgungsgründe nach wie vor aufrecht seien, ist dem zu erwidern, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Frage der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit einer Abschiebung im Ausweisungsverfahren keine rechtliche Bedeutung zukommt. Die Frage, ob die Aufenthaltsbeendigung mit Art. 3 EMRK im Einklang steht, ist Gegenstand anderer Verfahren. Eine allfällige, die Abschiebung unzulässig machende Gefährdungs- oder Bedrohungssituation im Heimatsstaat ist vor allem im Verfahren über die Gewährung internationalen Schutzes nach dem AsylG 2005 zu prüfen (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2011/23/0465, mwN). Der Beschwerdeführer ist daher mit seinem Vorbringen auf die Ergebnisse des rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens zu verweisen.
Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist diese gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn sie zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0015, mwN).
Die Beschwerde wendet sich in erster Linie gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Interessenabwägung und verweist in diesem Zusammenhang besonders auf den langjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seine berufliche Integration in Österreich.
Die aufgezeigten Umstände hat die belangte Behörde jedoch ohnehin berücksichtigt und in ihre Interessenabwägung einbezogen. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hätte die belangte Behörde daraus aber nicht ableiten müssen, seine Ausweisung aus Österreich sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig und daher unzulässig. Die geltend gemachten - nur das Privat- und nicht auch das Familienleben des Beschwerdeführers betreffenden - Umstände stellen sich nämlich auch in Verbindung mit der Aufenthaltsdauer (bis zur maßgeblichen Bescheiderlassung) von knapp sechs Jahren nicht als so außergewöhnlich dar, dass unter dem genannten Gesichtspunkt von einer Ausweisung hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf seinen Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen.
Es ist daher nicht rechtswidrig, dass die belangte Behörde das Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt in Österreich nicht höher einschätzte als das gegenläufige, der Aufrechterhaltung des - hoch zu bewertenden - geordneten Fremdenwesens dienende öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Inlandsaufenthalts des Beschwerdeführers.
An diesem Ergebnis vermögen auch die (zutreffenden) Beschwerdeausführungen, dass der Beschwerdeführer während seines Asylverfahrens rechtmäßig in Österreich aufhältig und zu dem Zeitpunkt, als er die Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung beantragte, eine Inlandsantragstellung zulässig gewesen sei, nichts zu ändern. Gleiches gilt für die in der Beschwerde hervorgehobene strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers.
Soweit erstmals in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der Beschwerdeführer über keinerlei Bindungen zu seinem Herkunftsland mehr verfüge, handelt es sich um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung (§ 41 Abs. 1 VwGG). Allfällige wirtschaftliche Schwierigkeiten beim Aufbau einer Existenz im Heimatstaat sind hingegen auf Grund des hohen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom , Zl. 2008/21/0557).
Zusammenfassend ergibt sich somit, dass die Auffassung der belangten Behörde, die Ausweisung des Beschwerdeführers sei unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unverhältnismäßig anzusehen und auch die Ermessensübung sei nicht zu seinen Gunsten vorzunehmen, nicht als rechtswidrig zu erkennen ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
RAAAE-93431