Suchen Hilfe
VwGH vom 19.01.2012, 2011/23/0251

VwGH vom 19.01.2012, 2011/23/0251

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher, Mag. Haunold, Mag. Feiel und Dr. Mayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der C, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/92.739/2008, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführerin, einer 1959 geborenen chinesischen Staatsangehörigen, war zunächst eine vom bis gültige Erstniederlassungsbewilligung "begünstigter Drittsta. - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" erteilt worden. Sie lebte seither mit ihrem Schwiegersohn, einem österreichischen Staatsbürger, und dessen Familie im gemeinsamen Haushalt. Nachdem der Aufenthaltstitel bis verlängert worden war, stellte die Beschwerdeführerin am einen weiteren Verlängerungsantrag.

Die in der Folge gemäß § 25 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) befasste Bundespolizeidirektion Wien wies die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) aus dem Bundesgebiet aus, weil die Erteilungsvoraussetzung nach § 11 Abs. 2 Z 4 NAG nicht erfüllt sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom gab die belangte Behörde der von der Beschwerdeführerin dagegen erhobenen Berufung keine Folge.

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass der im § 11 Abs. 2 Z 4 NAG normierte Versagungsgrund verwirklicht sei. Die Tochter der Beschwerdeführerin verdiene monatlich EUR 453,43 netto, ihr Schwiegersohn beziehe aus dem seit aufrechten Arbeitsverhältnis ein monatliches Einkommen von EUR 549,-- brutto. Die gewährte Familienbeihilfe von EUR 570,-- sei zum Familieneinkommen nicht hinzuzurechnen, weil sie ausschließlich der Deckung der Lebensbedürfnisse der Kinder diene, was - wenn sie auch kein eigenes Einkommen der Kinder sei - den Zugriff von Dritten auf diese ausschließe. Zu berücksichtigen sei jedoch das der Familie zukommende Kinderbetreuungsgeld von (monatlich) EUR 617,70. Selbst bei Zusammenrechnung dieser Einkünfte lägen diese weder über dem Existenzminimum der Familie noch in der Höhe der erforderlichen Richtsätze des § 293 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG). Es sei daher der im § 11 Abs. 2 Z 4 NAG normierte Versagungsgrund verwirklicht. Daran änderten auch die beiden vorgelegten Sparbücher nichts, lasse sich aus diesen doch nicht nachvollziehen, dass sie für den Lebensunterhalt der Beschwerdeführerin zur Verfügung stünden. Darüber hinaus habe diese auch nicht dargelegt, wer über die Sparbücher verfügungsberechtigt sei und aus welchen Quellen die darauf befindlichen Gelder stammten. Die Sparbücher seien somit nicht geeignet gewesen, glaubhaft zu machen, dass der Beschwerdeführerin die erforderlichen Mittel zum Unterhalt zur Verfügung stünden. Da der genannte Versagungsgrund der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels entgegenstehe, seien die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 55 und 66 FPG - im Grunde des § 54 Abs. 1 FPG gegeben.

Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung nach § 66 FPG führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin verheiratet sei. Ihr Ehemann sei bereits mit rechtskräftigem Bescheid vom wegen unrechtmäßigen Aufenthalts ebenfalls ausgewiesen worden. Familiäre Bindungen würden zur Tochter und deren Familie bestehen, in deren Haushalt sie auch lebe. Zwar sei angesichts dieser Umstände von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen, der jedoch zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 ERMK genannten Ziele, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens, dringend geboten und daher zulässig sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Bei der Interessenabwägung - so führte die belangte Behörde weiter aus - sei zunächst auf die aus der Dauer des inländischen Aufenthalts ableitbare Integration der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Diese wiege jedoch gering. Die Beschwerdeführerin verfüge offenbar auch über keinen Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt. Die familiären Bindungen seien insofern zu relativieren, als auch gegen den Ehemann eine rechtskräftige Ausweisung bestehe und die Tochter der Beschwerdeführerin längst volljährig sei. Dass einer Ausweisung unüberwindbare Hindernisse entgegenstünden, sei nicht geltend gemacht worden. Das der Beschwerdeführerin "zuzusprechende" Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet erweise sich daher keinesfalls als ausgeprägt. Dem stehe das hohe öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlage gelangte die belangte Behörde zum Ergebnis, dass die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wiegen würden als das aus der Verwirklichung des genannten Versagungsgrundes hervorgehende hohe öffentliche Interesse daran, dass sie das Bundesgebiet verlasse. Die belangte Behörde kam somit zum Schluss, dass die Erlassung der Ausweisung auch iSd § 66 FPG zulässig und ein Sachverhalt gemäß § 55 FPG nicht gegeben sei. Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände sah die belangte Behörde schließlich auch keine Veranlassung, von einer Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Vorauszuschicken ist, dass der angefochtene Bescheid vom Verwaltungsgerichtshof auf Basis der Sach- und Rechtslage seiner Erlassung zu überprüfen ist. Wird daher im Folgenden auf Bestimmungen des FPG, des NAG oder des ASVG Bezug genommen, so handelt es sich dabei jeweils um die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (März 2008) geltende Fassung der genannten Gesetze.

Da sich die Beschwerdeführerin während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhält, kann sie gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 FPG mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht. Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Dies ist nach § 11 Abs. 5 NAG dann der Fall, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und die der Höhe nach den Richtsätzen des § 293 ASVG entsprechen.

Die Beschwerde bestreitet nicht ausreichend konkret die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass die Beschwerdeführerin keine ausreichenden Unterhaltsmittel iSd § 11 Abs. 5 NAG nachgewiesen hat. Die Auffassung der belangten Behörde, dass eine allgemeine Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht erfüllt ist und ein Versagungsgrund iSd § 54 Abs. 1 Z 2 FPG vorliegt, ist daher nicht rechtswidrig.

Die Beschwerdeführerin bekämpft ausschließlich die im angefochtenen Bescheid vorgenommene Interessenabwägung nach § 66 FPG und behauptet eine Verletzung in ihrem Recht auf Privat- und Familienleben iSd Art. 8 EMRK.

Würde durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs. 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei dieser Beurteilung ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Bei einer Entscheidung über eine Ausweisung ist der Behörde Ermessen eingeräumt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa jüngst das Erkenntnis vom , Zl. 2009/21/0015, mwN).

Soweit die Beschwerdeführerin unter diesem Gesichtspunkt zunächst rügt, die belangte Behörde habe es unterlassen festzustellen, dass eine Beziehung zu ihrem Ehemann "nur noch auf dem Papier" bestehe und Erhebungen der belangten Behörde dazu vermisst, "inwieweit das Verhältnis der Beschwerdeführerin zu ihrem Ehemann als zerrüttet zu betrachten (sei)", ist ihr zu entgegnen, dass durch dieses Vorbringen die Auffassung der belangten Behörde, dass im Hinblick auf die Ausweisung des Ehemanns der Beschwerdeführerin kein Eingriff in das Familienleben mit diesem vorliege, nicht als rechtswidrig aufgezeigt wird.

Die Beschwerdeführerin verweist weiters auf ihren dreijährigen Aufenthalt in Österreich, den gemeinsamen Haushalt mit ihrer Tochter, deren Ehemann und den drei Enkelkindern - ihren einzigen Bezugspersonen - sowie den Umstand, dass sie nie gegen die öffentliche Ruhe oder Ordnung verstoßen habe, weshalb von einer guten Integration in Österreich auszugehen sei.

Angesichts der Dauer des bisherigen inländischen Aufenthalts der Beschwerdeführerin (bis zur Bescheiderlassung) von etwa drei Jahren und ihrer daraus ableitbaren Integration sowie ihrer familiären Bindungen zu ihrer - erwachsenen - Tochter und deren Familie hat die belangte Behörde mit der Ausweisung einen zwar relevanten Eingriff in deren Privat- und Familienleben verbunden erachtet, das daraus ableitbare Interesse der Beschwerdeführerin an einem Weiterverbleib im Bundesgebiet aber als vergleichsweise gering beurteilt. Die Dauer des Aufenthaltes in Österreich sei kurz, sie habe keinen Zugang zum Arbeitsmarkt und ihre Tochter sei längst volljährig. Den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet stellte die belangte Behörde jedoch zu Recht die aus der Verwirklichung des Fehlens der Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG resultierende Gefährdung öffentlicher Interessen gegenüber. Wenn die belangte Behörde bei Abwägung dieser gegenläufigen Interessen zum Schluss gelangte, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens) dringend geboten sei, ist dies nicht rechtswidrig (siehe zu einer ähnlichen Konstellation das Erkenntnis vom , Zl. 2008/18/0661).

Es ist somit nicht zu beanstanden, dass die belangte Behörde die Ausweisung der Beschwerdeführerin unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK nicht als unverhältnismäßig angesehen und die Ermessensübung nicht zu ihren Gunsten vorgenommen hat.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am

Fundstelle(n):
FAAAE-93234