VwGH vom 18.03.2014, 2013/22/0193
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger, den Hofrat Dr. Robl, die Hofrätin Mag. Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Dr. Schwarz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Perauer, über die Beschwerde des V, vertreten durch Dr. Peter Lechenauer und Dr. Margrit Swozil, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Hubert-Sattler-Gasse 10, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Salzburg vom , Zl. 1/01- 2130/1/1/2010, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines indischen Staatsangehörigen, vom auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 4 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) ab.
Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe am , nachdem er unrechtmäßig nach Österreich eingereist sei, einen Asylantrag gestellt. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom sei dieser Antrag rechtskräftig abgewiesen und die Ausweisung des Beschwerdeführers verfügt worden. Seit Rechtskraft dieses Erkenntnisses halte sich der Beschwerdeführer rechtswidrig in Österreich auf.
Bei der Prüfung der Voraussetzungen gemäß § 43 Abs. 4 NAG wies die belangte Behörde darauf hin, dass der Beschwerdeführer zeitweise selbständig erwerbstätig gewesen, im Zeitraum zwischen seiner Einreise im März 2004 und Jänner 2008 aber weder einer erlaubten unselbständigen noch einer selbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Laut Erhebungen der Gewerbebehörde sei der Beschwerdeführer erst seit berechtigt gewesen, ein Gewerbe auszuüben, er habe jedoch das Gewerbe mit gleichem Tag ruhend gemeldet. Mit sei ihm die Gewerbeberechtigung rechtskräftig entzogen worden.
Unter Heranziehung seiner Einkommensteuerbescheide hielt die belangte Behörde fest, dass die aus der selbständigen Tätigkeit erzielten Einkünfte des Beschwerdeführers in keinem einzigen Jahr ausgereicht hätten, um eine Selbsterhaltungsfähigkeit annehmen zu können. Die belangte Behörde stellte zwar fest, dass der Beschwerdeführer für Juli und August 2011 Honoraraufstellungen in Höhe von EUR 1.541,97 bzw. EUR 1.353,12 vorgelegt habe. Angesichts des fehlenden Nachweises von Einkünften für die Monate Jänner bis Mai 2011 könne aber auch für das Jahr 2011 nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden. Unter Bezugnahme auf Erhebungen der Gewerbebehörde wies die belangte Behörde weiters darauf hin, dass der Beschwerdeführer bei der Sozialversicherung einen Rückstand von EUR 2.871,83 habe, weshalb diese beabsichtige, bei Nichteinhaltung der Ratenvereinbarung ein Exekutionsverfahren anzustrengen. Nach der Aktenlage verfüge der Beschwerdeführer derzeit über keinen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz (eine Versicherung scheine lediglich für die Zeiträume 1. Jänner bis sowie 9. Mai bis auf), weshalb auch der Versagungstatbestand des § 11 Abs. 2 Z 3 NAG gegeben sei.
Der Beschwerdeführer habe seinen langjährigen Aufenthalt in Österreich weder für eine schulische noch für eine berufliche Ausbildung genutzt. Zum Nachweis seiner Kenntnisse der deutschen Sprache habe er lediglich eine Anmeldebestätigung von einem Deutschkurs für Anfänger vom vorgelegt, wobei er die anschließende Prüfung nicht bestanden habe. Ein Familienleben führe der Beschwerdeführer in Österreich nicht, auch habe er keine im Bundesgebiet lebenden Verwandten.
In weiterer Folge nahm die belangte Behörde eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK vor, in der sie auch auf das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und auf den unsicheren Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages einging.
Zusammenfassend führte die belangte Behörde aus, dass im Fall des Beschwerdeführers kein hoher Integrationsgrad, keine Selbsterhaltungsfähigkeit und keine schulische oder berufliche Aus- und Weiterbildung vorliegen würden und der Beschwerdeführer auch keinen Nachweis über Kenntnisse der deutschen Sprache vorgelegt habe, sodass die Interessenabwägung zu Gunsten der öffentlichen Interessen ausgegangen und der Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen gewesen sei.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , B 1418/2011-4, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
Über die im vorliegenden Verfahren ergänzte Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 8 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013, hat der Verwaltungsgerichtshof in Beschwerdeverfahren, in denen der Verfassungsgerichtshof bis zum Ablauf des eine Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat, die bis zum Ablauf des geltenden Bestimmungen des B-VG und des VwGG weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
Weiters ist festzuhalten, dass im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (am ) das NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 anzuwenden ist.
§ 43 NAG lautet auszugsweise wie folgt:
"Niederlassungsbewilligung
§ 43. ...
(4) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen kann
trotz Vorliegen eines Erteilungshindernisses gemäß § 11 Abs. 1 Z 3
oder 5 in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen auf
begründeten Antrag, der bei der örtlich zuständigen Behörde im
Inland einzubringen ist, eine 'Niederlassungsbewilligung' erteilt
werden, wenn
1. der Drittstaatsangehörige nachweislich seit dem
durchgängig im Bundesgebiet aufhältig ist und
2. mindestens die Hälfte des Zeitraumes des
festgestellten durchgängigen Aufenthalts im Bundesgebiet rechtmäßig gewesen ist.
Die Behörde hat dabei den Grad der Integration des Drittstaatsangehörigen, insbesondere die Selbsterhaltungsfähigkeit, die schulische und berufliche Ausbildung, die Beschäftigung und die Kenntnisse der deutschen Sprache zu berücksichtigen. Der Nachweis einer oder mehrerer Voraussetzungen des § 11 Abs. 2 Z 2 bis 4 kann auch durch Vorlage einer Patenschaftserklärung (§ 2 Abs. 1 Z 18) erbracht werden. Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 und 5 einschließlich fremdenpolizeilicher Maßnahmen hat die Behörde unverzüglich eine begründete Stellungnahme der der zuständigen Fremdenpolizeibehörde übergeordneten Sicherheitsdirektion einzuholen. ..."
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass - soweit die belangte Behörde eine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK durchgeführt hat -
es für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung nach § 43 Abs. 4 NAG nicht darauf ankommt, ob die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Hinblick auf Art. 8 EMRK geboten ist, sondern diese Bestimmung vielmehr gerade dann greifen soll, wenn ein Recht aus Art. 8 EMRK nicht abgeleitet werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0320). So kommt es auch nicht darauf an, ob und wie lange sich der Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers während seines Aufenthalts im Bundesgebiet als unsicher dargestellt hat oder ob die zur Integration führenden Umstände während des Zeitraumes eines unsicheren Aufenthaltsstatus entstanden sind (vgl. das zur gleichartigen Vorgängerbestimmung in § 44 Abs. 4 NAG idF BGBl. I Nr. 111/2010 ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 2011/22/0113). Vor diesem Hintergrund geht das gegen die Interessenabwägung gerichtete Beschwerdevorbringen ins Leere.
Die Durchführung einer Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK führt aber fallbezogen nicht zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, weil die belangte Behörde zutreffend auch die Voraussetzungen für das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Falles iSd § 43 Abs. 4 NAG geprüft hat. Die belangte Behörde hat entscheidungswesentlich darauf abgestellt, dass die aus der selbständigen Tätigkeit des Beschwerdeführers erzielten Einkünfte - trotz der Erwirtschaftung eines ausreichenden monatlichen Einkommens in zwei Monaten - in Summe nicht ausreichend waren, um von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers ausgehen zu können. Auch die Beschwerde vermag keine Bedenken gegen diese Beurteilung der belangten Behörde aufzuzeigen, zumal eine bestehende Selbsterhaltungsfähigkeit bloß pauschal behauptet bzw. vorgebracht wird, dass diese nur durch den Entzug der Gewerbeberechtigung eingeschränkt werde. Auch wenn man zu Gunsten des Beschwerdeführers veranschlagt, dass er ab dem Jahr 2008 mehrere Jahre eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat, musste die belangte Behörde darin noch kein solches Ausmaß einer beruflichen Integration sehen, dass es geboten gewesen wäre, ihm die beantragte Niederlassungsbewilligung zu erteilen.
Auf das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe mittlerweile die Deutschprüfung auf dem Niveau A2 bestanden, war schon deshalb nicht weiter einzugehen, weil es sich dabei um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung handelt. Gleiches gilt für sein Vorbringen, er habe in Österreich einen Cousin, welcher einen Aufenthaltstitel besitze. Auf eine schulische oder berufliche Aus- oder Weiterbildung in Österreich beruft sich der Beschwerdeführer nicht. Soweit in der Beschwerde schließlich noch vorgebracht wird, der Beschwerdeführer sei krankenversichert, wird angemerkt, dass dieses Vorbringen unsubstantiiert bleibt und dass die behördliche Feststellung zum Fehlen eines Krankenversicherungsschutzes in den Verwaltungsakten Deckung findet.
Vor diesem Hintergrund erreichen die im Beschwerdefall vorliegenden integrationsbegründenden Umstände - auch unter Bedachtnahme auf den über siebenjährigen Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers und die zeitweise selbständige Erwerbstätigkeit -
noch keinen solchen Grad, dass von einem besonders berücksichtigungswürdigen Fall iSd § 43 Abs. 4 NAG auszugehen wäre.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG sowie § 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, iVm § 3 Z 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 idF BGBl. II Nr. 8/2014.
Wien, am
Fundstelle(n):
UAAAE-88619