VwGH vom 26.05.2011, 2008/23/0596
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Händschke sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Dr. Fasching, die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerde des RH, geboren 1979, vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen den am mündlich verkündeten und am schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates Zl. 224.586/0- VII/20/01, betreffend § 7 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit, beantragte am Asyl.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) ab, stellte jedoch gemäß § 8 AsylG iVm § 57 Fremdengesetz 1997 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak unzulässig sei und erteilte ihm gemäß § 15 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass sich die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers auf dessen Ausführungen stützten, der in persönlicher Hinsicht einen glaubwürdigen Eindruck hinterlassen habe. Ihm sei es jedoch nicht gelungen, Gründe ins Treffen zu führen, die für eine Asylgewährung sprechen könnten. So habe der Beschwerdeführer sich in all seinen Fluchtgründen ausschließlich auf das Regime Saddam Husseins bezogen, das jedoch im Jahr 2003 gestürzt worden sei. Dass entsprechende Strukturen der Baath-Partei noch aufrecht seien, habe der Beschwerdeführer nicht bescheinigen können; auch das Länderdokumentationsmaterial könne ein diesbezügliches Vorbringen keinesfalls stützen. Letztlich habe der Beschwerdeführer seinen Asylantrag auf die aktuelle instabile Lage gestützt. Es könne daher nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in den Irak mit asylrelevanter Verfolgung zu rechnen habe.
Rechtlich beurteilte die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers dahingehend, dass die Änderung der Verhältnisse im Irak seit dem Sturz Saddam Husseins eine weitere asylrelevante Verfolgung von seinerzeit durch das Regime Saddam Husseins Verfolgten, wie dies etwa der Beschwerdeführer sei, als nachhaltig unwahrscheinlich erscheinen lasse. Der Beschwerdeführer habe keinen Umstand aufzeigen können, wonach ihm durch die nunmehrigen Machthaber im Irak Verfolgung drohe oder von Seiten privater Gruppen aus Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention und die Machthaber im Irak nicht in der Lage wären, ihm Schutz zu gewähren.
Ausschließlich gegen die Abweisung im Asylteil wendet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Nach dem gemäß § 67 AVG auch von der Berufungsbehörde anzuwendenden § 60 AVG sind in der Begründung des Berufungsbescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muss in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dargetan werden, welcher Sachverhalt der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die Behörde zu der Ansicht gelangte, dass gerade dieser Sachverhalt vorliege, und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhalts unter einen bestimmten Tatbestand als zutreffend erachtete (vgl. dazu aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes das Erkenntnis vom , Zl. 2011/01/0016).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Bescheid nicht gerecht.
Der Beschwerdeführer brachte im Asylverfahren nicht bloß vor, dass er nach der Inhaftierung seines inzwischen verstorbenen Vaters durch den Geheimdienst des Saddam-Regimes auch selbst aufgefordert wurde, für diesen tätig zu werden. In der mündlichen Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde führte der Beschwerdeführer vielmehr aus, dass zwar das Saddam-Regime gestürzt worden sei, die Baath-Partei und die Anhänger Saddams jedoch noch immer aktiv seien und machten was sie wollten. "Heutzutage" nehme jeder Rache. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass er keinesfalls in seine Heimat zurückkehren könne, weil "diese Leute" immer wieder zum Haus seiner Familie gekommen seien und nach ihm gefragt hätten. Im Fall seiner Rückkehr würden diese Personen glauben, dass er deswegen zurückgekehrt wäre, um Rache für seinen Vater zu nehmen. Deshalb würden sie ihn sicher töten. Erst vor eineinhalb bis zwei Monaten sei nach ihm gefragt worden.
Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde ausgehend von der Annahme, dass der Beschwerdeführer ausschließlich eine (nicht mehr aktuelle) Verfolgung durch das gestürzte Regime von Saddam Hussein geltend gemacht habe, nicht auseinander gesetzt.
Dieser Verfahrensfehler ist auch relevant, weil nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass diesem Vorbringen Asylrelevanz zukommen kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/19/0265).
Aus den genannten Gründen war auch der hier angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Wien, am
Fundstelle(n):
XAAAE-85851