VwGH vom 19.05.2010, 2008/23/0219
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2008/23/0221
2008/23/0220
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gall sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Dr. Wurdinger als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Stelzl, über die Beschwerden von 1. GN, geboren 1980, 2. UN, geboren 2001, und 3. BN, geboren2005, alle vertreten durch Dr. Klaus Kocher und Mag. Wilfried Bucher, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Sackstraße 36/II, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates jeweils vom , Zlen. 254.422/0- VII/43/04 (ad 1.), 256.657/0-VII/43/05 (ad 2.) und 259.636/0- VII/43/05 (ad 3.), betreffend §§ 7, 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide (Ausweisung der beschwerdeführenden Parteien in die Türkei) wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.106,40, insgesamt somit EUR 3.319,20, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerden abgelehnt.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin ist die Ehefrau von SN (Beschwerdeführer zur Zl. 2008/23/0218); sie sind die Eltern der minderjährigen zweit- und drittbeschwerdeführenden Parteien. Alle sind türkische Staatsangehörige kurdischer Volksgruppenzugehörigkeit.
Der Asylantrag des Ehemannes bzw. Vaters der beschwerdeführenden Parteien vom wurde im Instanzenzug mit Bescheid der belangten Behörde vom gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) abgewiesen und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei zulässig ist. Die Behandlung dessen Beschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom heutigen Tag abgelehnt.
Die Erstbeschwerdeführerin beantragte am , der Zweitbeschwerdeführer am und die in Österreich geborene Drittbeschwerdeführerin am Asyl. Sie bezogen sich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes bzw. Vaters.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen der beschwerdeführenden Parteien gegen die ihre Asylanträge abweisenden Bescheide des Bundesasylamtes vom (Erstbeschwerdeführerin), (Zweitbeschwerdeführer) bzw. (Drittbeschwerdeführer) gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 8 Abs. 1 AsylG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei zulässig ist (Spruchpunkt II.) und wies die beschwerdeführenden Parteien gemäß § 8 Abs. 2 AsylG dorthin aus (Spruchpunkt III.).
Begründend führte die belangte Behörde zu den Ausweisungen im Wesentlichen aus, das Bundesasylamt - das tatsächlich keine Rechtfertigungsgründe im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK anführte - habe die "vorgeschriebene Interessenabwägung mängelfrei vorgenommen". Der Asylantrag des Ehemannes (bzw. Vaters) sei ebenfalls abgewiesen worden. "Dass mit einem anderen in Österreich lebenden Familienmitglied engere Bande bestehen würde(n)", sei nicht vorgebracht worden. Anhaltspunkte für "andere soziale Bindungen" in Österreich würden fehlen. Die (jeweilige) Ausweisung stelle keinen Eingriff in Art. 8 EMRK dar.
Über die gegen diese Bescheide erhobenen, wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhangs zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden hat der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Zu I.:
Bei den mit Spruchpunkt III. der angefochtenen Bescheide verfügten Ausweisungen hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Aufgrund der asylrechtlichen Ausweisungen erscheint es möglich, dass die beschwerdeführenden Parteien das Bundesgebiet ohne ihren Ehemann bzw. Vater, der asylrechtlich nicht ausgewiesen wurde, zu verlassen haben. Die Ausweisungen stellen somit einen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Familienleben der beschwerdeführenden Parteien mit ihrem Ehemann bzw. Vater dar, welcher einer Rechtfertigung bedürfte (vgl. die hg. Erkenntnisse vom , Zl. 2007/19/1054, und vom , Zl. 2007/19/0851, sowie etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 2008/23/0349, 0350, und vom , Zlen. 2007/19/0511 bis 0513).
Da die angefochtenen Bescheide eine derartige Rechtfertigung vermissen lassen, waren sie in ihrem Spruchpunkt III. wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.
Zu II.:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG und § 33a VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof die Behandlung einer Beschwerde gegen einen Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates durch Beschluss ablehnen, wenn die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wird, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Beschwerden werfen - soweit sie sich nicht auf die Ausweisungen beziehen - keine für die Entscheidung dieser Fälle maßgeblichen Rechtsfragen auf, denen im Sinne der zitierten Bestimmungen grundsätzliche Bedeutung zukäme. Gesichtspunkte, die dessen ungeachtet gegen eine Ablehnung der Beschwerdebehandlung sprechen würden, liegen nicht vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat daher beschlossen, die Behandlung der Beschwerden im Übrigen abzulehnen.
Wien, am
Fundstelle(n):
IAAAE-85762