VwGH vom 22.03.2011, 2008/18/0669
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerde des T T in W, vertreten durch Mag. Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/55.631/2008, betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage am illegal in Österreich eingereist und habe einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom zweitinstanzlich rechtskräftig abgewiesen worden sei. Mit Berufungsbescheid der belangten Behörde vom sei gegen den Beschwerdeführer wegen dessen Mittellosigkeit ein für die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden.
Am habe der Beschwerdeführer erneut einen Asylantrag eingebracht, dieses Verfahren sei jedoch eingestellt worden. Der Beschwerdeführer habe trotzdem das Bundesgebiet nicht verlassen. Am sei ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen worden und am sei er wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes bestraft worden.
Mit Bescheid vom sei ein Antrag auf Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Aufenthaltsverbotes rechtskräftig abgewiesen worden. Ein weiterer, diesbezüglicher Antrag vom sei von der Erstbehörde rechtskräftig zurückgewiesen worden.
Der Beschwerdeführer befinde sich nach der Aktenlage noch immer im Bundesgebiet, ohne zum Aufenthalt berechtigt zu sein. Die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung seien daher - vorbehaltlich der Bestimmungen des § 66 Abs. 1 FPG - im Grunde des § 53 Abs. 1 FPG gegeben.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten, familiäre Bindungen bestünden lediglich zu seinem Adoptivvater. Die Adoption sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes Wien Innere Stadt vom bewilligt worden. Es sei zweifelsfrei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers auszugehen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiete des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses hohe öffentliche Interesse habe der Beschwerdeführer durch seinen langjährigen illegalen Aufenthalt jedoch gravierend verstoßen. Er habe weder der sich aus dem Aufenthaltsverbot ergebenden Ausreiseverpflichtung Folge geleistet, noch habe er seinen Aufenthalt, nachdem er bereits rechtskräftig bestraft und auch ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen worden sei, beendet. Diese geradezu beharrliche Ignoranz gegenüber maßgeblichen fremdenpolizeilichen Vorschriften lasse die Ausweisung als dringend geboten und auch im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG unter Berücksichtigung der dargestellten familiären Bindungen als zulässig erscheinen. Zum Zeitpunkt der Genehmigung des Adoptionsvertrages sei der Beschwerdeführer nicht zuletzt auf Grund des bestehenden Aufenthaltsverbotes nicht zum Aufenthalt berechtigt gewesen und habe auch nicht mit einem Weiterverbleib im Bundesgebiet rechnen können. Unter den gegebenen Umständen sei er rechtens nicht in der Lage, seinen Aufenthalt in Österreich vom Inland aus zu legalisieren.
Mangels sonstiger, besonders zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen. Auch die angebliche Verfolgung im Heimatstaat stelle solche besonderen Gründe nicht dar. Zum einen sei dieses Vorbringen bereits Gegenstand des rechtskräftig negativ beendeten Asylverfahrens gewesen, zum anderen werde mit gegenständlichem Bescheid nicht darüber abgesprochen, in welches Land der Beschwerdeführer auszureisen habe oder allenfalls abgeschoben werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer am in das Bundesgebiet gelangt sei, die von ihm gestellten Asylanträge rechtskräftig ab- bzw. zurückgewiesen und auch seine Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes rechtskräftig abgewiesen worden seien. Im Hinblick darauf begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass sich der Beschwerdeführer unrechtmäßig in Österreich aufhalte und somit die Tatbestandsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2. Die Beschwerde wendet sich gegen das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 66 Abs. 1 FPG vorgenommenen Interessenabwägung und bringt dazu vor, die Ausweisung des in Österreich sozial und familiär vollkommen integrierten Beschwerdeführers stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar. Der Beschwerdeführer habe sich auch während seines langjährigen Aufenthaltes im Inland stets wohlverhalten und sei unbescholten. Es könne dem Beschwerdeführer auch nicht vorgeworfen werden, dass er in Österreich nicht berufstätig sei, weil er mangels eines Aufenthaltstitels bis zur Bewilligung desselben keiner Beschäftigung nachgehen dürfe.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Die belangte Behörde hat bei der Prüfung der Zulässigkeit der Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG die Dauer des Aufenthaltes im Bundesgebiet sowie die familiäre Bindung des Beschwerdeführers zu seinem Adoptivvater berücksichtigt und - zutreffend - einen mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Das Gewicht seiner daraus resultierenden persönlichen Interessen am Verbleib im Bundesgebiet wird jedoch dadurch relativiert, dass sein Aufenthalt nur auf Grund eines Asylantrages, der sich als unbegründet erwiesen hat, vorläufig berechtigt und seit über vier Jahren unrechtmäßig war. Darüber hinaus begründete der Beschwerdeführer das Familienleben zu seinem Adoptivvater zu einem Zeitpunkt, als sein Asylverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen war und gegen ihn überdies ein Aufenthaltsverbot bestand. Er durfte daher zu keinem Zeitpunkt damit rechnen, auf Dauer ein Familienleben mit seinem Adoptivvater in Österreich führen zu dürfen. Zudem hat der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keine Kernfamilie und ist auch nicht in den heimischen Arbeitsmarkt integriert. Dass letzteres - wie die Beschwerde vorbringt - dem Beschwerdeführer nicht vorzuwerfen sei, ist nicht entscheidungsrelevant.
Diesen nicht besonders ausgeprägten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er seinen seit der rechtskräftigen Beendigung des Asylverfahrens unrechtmäßigen Aufenthalt beharrlich fortgesetzt hat. Dadurch hat der Beschwerdeführer das maßgebliche öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt, gravierend beeinträchtigt. Dass der Beschwerdeführer laut Vorbringen in der Beschwerde 2007 noch einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellt habe, vermag daran nichts zu ändern, weil die Anhängigkeit eines solchen Verfahrens der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegensteht (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0178).
Damit müssen die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich gegenüber den genannten öffentlichen Interessen in den Hintergrund treten. Im Hinblick darauf ist die Ausweisung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten und gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig.
3. Im Übrigen sind weder aus der Aktenlage noch aus der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die die Behörde zu einer Abstandnahme von der Ausweisung im Rahmen des ihr gemäß § 53 Abs. 1 FPG eingeräumten Ermessens hätten veranlassen müssen.
4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
PAAAE-81853