VwGH vom 15.09.2010, 2010/18/0205
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
2010/18/0206
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok, den Hofrat Dr. Enzenhofer, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Schmidl, über die Beschwerden des KM (geboren am 1974) in W, vertreten durch Dr. Walter Rosenkranz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Goldschmiedgasse 6/14, gegen 1.) den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/497929/2009 (Zl. 2010/18/0205), und 2.) den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. E1/497929/2009 (Zl. 2010/18/0206), jeweils betreffend Ausweisung gemäß § 53 FPG,
Spruch
1. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom wird zurückgewiesen.
Begründung
I.
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom wurde der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am illegal nach Österreich eingereist und habe am selben Tag einen Asylantrag gestellt, der im Instanzenzug am rechtskräftig abgewiesen worden sei. Im Asylverfahren habe der Beschwerdeführer angegeben, in seinem Heimatstaat lebten seine Eltern und vier Geschwister. Bei seiner Ersteinvernahme habe er jedoch eine falsche Identität, nämlich einen falschen Vor- und Zunamen sowie ein falsches Geburtsdatum, angegeben.
Gegen das abweisende Erkenntnis des Asylgerichtshofes habe der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, deren Behandlung jedoch abgelehnt worden sei.
Mit Schreiben vom habe die Erstbehörde den Beschwerdeführer von der beabsichtigten Ausweisung in Kenntnis gesetzt und ihm diverse Fragen, deren Beantwortung eine Beurteilung seiner privaten/persönlichen Verhältnisse im Sinne des § 66 FPG erlauben hätte sollen, gestellt. Diese seien vom Beschwerdeführer jedoch negiert worden. In der Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, ihm stehe ein humanitärer Aufenthaltstitel zu, was nicht ausreichend geprüft worden sei. Er sei im Übrigen sozial integriert, krankenversichert und erziele ein Einkommen; entsprechende Nachweise habe er - so die belangte Behörde - dafür allerdings nicht erbracht.
In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde zunächst aus, ein Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels nach § 44 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG könne den Beschwerdeführer nicht vor der Ausweisung schützen. Dem Fremdeninformationssystem sei nicht zu entnehmen, dass ein derartiger Antrag bereits gestellt worden sei. Auch unter Berücksichtigung der jüngsten höchstgerichtlichen Rechtsprechung könnte den Beschwerdeführer ein derartiger Antrag maximal - temporär - vor der Abschiebung retten.
Die Ausweisung von Fremden stehe unter dem Vorbehalt des § 66 FPG. Im Sinne dieser Bestimmung sei daher zu berücksichtigen,
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- | dass ein über sechs Jahre dauernder "rechtmäßiger" inländischer Aufenthalt vorliege, von dem allerdings über fünf Jahre nur durch eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz "gedeckt" gewesen und zehn Monate überhaupt illegal seien; |
- | dass ein Familienleben in Österreich nicht bestehe bzw. der Beschwerdeführer jedenfalls diesbezüglich nichts bekannt gegeben habe; |
- | dass ein maßgeblicher Grad der Integration nicht festzustellen sei bzw. - über die bloße Behauptung hinaus - nicht nachgewiesen worden sei; |
- | dass Bindungen zum Heimatstaat insoferne bestünden, als dort die Eltern und einige Geschwister lebten; |
- | dass berufliche Bindungen in Österreich nicht feststellbar seien (insoweit der Beschwerdeführer in der Berufung ein eigenes Einkommen behaupte, sei er den Beweis schuldig geblieben. Eine selbständige oder unselbständige Beschäftigung dürfe er jedenfalls nicht ausüben); |
- | dass strafgerichtliche und verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit vorliege. |
Eine Gegenüberstellung der für und gegen die Ausweisung sprechenden Gründe bzw. Umstände ergebe ein Übergewicht der ersteren. Der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der geordneten Abwicklung des Fremdenwesens (Art. | 8 Abs. 2 EMRK) ein sehr hoher Stellenwert zu. Die Beeinträchtigung des hoch zu veranschlagenden maßgeblichen öffentlichen Interesses an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Aufenthaltswesens sei von solchem Gewicht, dass die allenfalls vorhandenen gegenläufigen privaten Interessen jedenfalls nicht höher zu bewerten seien als das Interesse der Allgemeinheit an der Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. |
also ohne weitere behördliche Aktivität - verpflichtet gewesen, nach rechtskräftiger Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels auszureisen, sei aber trotzdem hier geblieben. | |
Besondere Umstände, die über obige Erwägungen hinausgehend eine für den Beschwerdeführer positive Ermessensübung durch die belangte Behörde zugelassen hätten, seien weder erkannt noch vorgebracht worden. |
1.2. Der Bescheid der belangten Behörde vom ist mit dem unter 1.1. dargestellten - mit Ausnahme des Datums - wortident.
2. Gegen diese Bescheide richten sich die Beschwerden mit dem Begehren, sie ersatzlos zu beheben, in eventu aufzuheben und zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde erster oder zweiter Instanz zurückzuverweisen.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt in der Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbundenen Beschwerden erwogen:
1. Den Bescheid vom betreffend:
1.1. Auf dem Boden der im angefochtenen Bescheid getroffenen und in der Beschwerde bestätigten Feststellung, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers rechtskräftig abgewiesen worden sei, wobei vom Beschwerdeführer nicht behauptet wird, dass ihm ein Aufenthaltstitel erteilt worden sei, begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG erfüllt sei, keinen Bedenken.
1.2. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde einen Feststellungs- und Begründungsmangel vor, weil eine Prüfung der wirtschaftlichen und sozialen Bindungen des Beschwerdeführers unterblieben sei. Die Frage der Integration des Beschwerdeführers, insbesondere seiner Deutschkenntnisse, sowie seine Sozialkontakte (Lebensgefährtin, Freunde etc.) seien nicht geprüft bzw. berücksichtigt worden. Auf die von ihm (in der Berufung) beantragte Vernehmung (seiner Person) sei verzichtet worden. Seine Unbescholtenheit und seine wirtschaftlich gute Situation seien nicht überprüft worden. Daher könne der angefochtene Bescheid nicht überprüft und nicht nachvollzogen werden.
Damit zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, wonach der Beschwerdeführer das Schreiben der Erstbehörde vom , womit ihm diverse Fragen zur Beurteilung seiner privaten/persönlichen Verhältnisse im Sinne des § 66 FPG gestellt worden seien, nicht beantwortet habe, blieb auch in der Beschwerde unbestritten. Im fremdenrechtlichen Administrativverfahren vor der Sicherheitsdirektion besteht auch kein Recht darauf, von der Behörde mündlich gehört zu werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0087, mwN). Darüber hinaus hatte der Beschwerdeführer ausreichend Gelegenheit, in der Berufung zu seinen persönlichen Verhältnissen Stellung zu nehmen und diese entsprechend zu belegen. Hinsichtlich der in der Berufung behaupteten Integration, der sozialen Bindungen, einer Krankenversicherung und eines Einkommens wies die belangte Behörde - zutreffend - darauf hin, dass diese nicht nachgewiesen wurden. Die Beschwerde zeigt mit dem gerügten Feststellungs- und Begründungsmangel schon deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil sie nicht darlegt, auf Grund welcher zusätzlichen Ermittlungen welche konkreten Feststellungen im Einzelnen noch hätten getroffen werden müssen. Die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels wurde somit nicht dargetan.
Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides hält sich der Beschwerdeführer seit über sechs Jahren im Bundesgebiet auf, wobei dieser Aufenthalt über fünf Jahre nur auf Grund eines Asylantrages, der in der Folge abgewiesen wurde, vorläufig erlaubt war und seit zehn Monaten unrechtmäßig ist. Ein Familienleben im Bundesgebiet wurde nicht behauptet, ein maßgeblicher Grad der Integration in Österreich nicht nachgewiesen. Die belangte Behörde wies auch darauf hin, dass eine allfällige Beschäftigung des Beschwerdeführers mangels eines Aufenthaltstitels nicht rechtmäßig wäre. Die strafgerichtliche und verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit wurde ebenso berücksichtigt wie die - unbestritten gebliebenen - erheblichen familiären Bindungen des Beschwerdeführers in seinem Heimatstaat.
Den somit relativierten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet steht gegenüber, dass er sich zumindest seit zehn Monaten unrechtmäßig in Österreich aufhält, was eine erhebliche Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften darstellt, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Angesichts dieser Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens begegnet die Ansicht der belangten Behörde, dass die Ausweisung zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen dringend geboten ist, keinem Einwand.
1.3. In der Beschwerde wird weder behauptet, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt worden sei (vgl. § 44a NAG), noch, dass der Beschwerdeführer einen Antrag gemäß § 44b NAG gestellt habe. Im Übrigen würde auch die Anhängigkeit eines solchen Verfahrens über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels der Erlassung einer Ausweisung nicht entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0178, mwN).
1.4. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
1.5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
2. Den Bescheid vom betreffend:
Der Beschwerdeführer hat gegen den mit datierten Bescheid der belangten Behörde, der - abgesehen vom Datum - den gleichen Inhalt wie der unter I.1. dargestellte Bescheid aufweist, die zur hg. Zl. 2010/18/0206 protokollierte Beschwerde erhoben.
Da beide Bescheide mit Ausnahme des Datums wortident sind und jeglicher Hinweis darauf fehlt, dass die belangte Behörde zwei unterschiedliche Bescheide erlassen wollte, liegt in Wahrheit nur ein einziger Bescheid vor (vgl. etwa den hg. Beschluss vom , Zl. 2004/07/0129, mwN).
Wird jedoch gegen ein und denselben Bescheid nach Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof durch denselben Beschwerdeführer eine weitere Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht, so ist diese weitere Beschwerde wegen Konsumierung des Beschwerderechtes gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen (vgl. nochmals den hg. Beschluss vom , mwN).
Die Beschwerde gegen den mit datierten Bescheid war daher zurückzuweisen.
3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
GAAAE-80216