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VwGH vom 30.01.2013, 2010/03/0106

VwGH vom 30.01.2013, 2010/03/0106

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Köller, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des D L in D, vertreten durch Hetsch und Paulinz Rechtsanwälte in 3430 Tulln, Albrechtsgasse 12, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (nunmehr: Landespolizeidirektion Niederösterreich) vom , Zl E1/20504/2009, betreffend Abweisung eines Antrags auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.326,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte gemäß § 75b ZDG iVm § 5 Abs 5 ZDG abgewiesen.

Begründend führte sie im Wesentlichen aus, mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer seit zivildienstpflichtig sei und ihm für die Dauer der Zivildienstpflicht, höchstens für 15 Jahre, der Erwerb und der Besitz von genehmigungspflichtigen Waffen sowie das Führen von Schusswaffen untersagt worden sei.

Das dadurch begründete Verbot des Erwerbs und Besitzes genehmigungspflichtiger Schusswaffen (das der beantragten Ausstellung einer Waffenbesitzkarte entgegen stehe) sei ungeachtet dessen, dass mit Bescheid der Zivildienstverwaltungs GmbH vom die Nichteignung des Beschwerdeführers zur Leistung von Zivildienst auf Dauer festgestellt wurde, weiterhin aufrecht. Die Zivildienstpflicht ende nämlich gemäß § 21 Abs 3 ZDG erst mit der Vollendung des 50. Lebensjahres, sofern vom Zivildienstpflichtigen nicht vorher ein Antrag auf Widerruf eingebracht werde; einen derartigen Antrag habe der Beschwerdeführer nicht eingebracht. Die mit Bescheid der Zivildienstverwaltungs GmbH vom festgestellte gesundheitliche Nichteignung zur Leistung jedes Zivildienstes ändere nichts daran, dass der Beschwerdeführer den Wehrdienst aus Gewissensgründen abgelehnt habe. § 75b ZDG habe im Zusammenhang mit § 5 Abs 5 ZDG zum Ziel, Zivildienstpflichtige, die aus Gewissensgründen Waffengewalt gegen Menschen ablehnten, vom Waffenbesitz auszuschließen. Es sei daher der Antrag auf Ausstellung einer Waffenbesitzkarte abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtete der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde gemäß Art 144 Abs 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof. Dieser hat deren Behandlung mit Beschluss vom , B 528/10-3, abgelehnt, und sie gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens - die belangte Behörde hat von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen - erwogen:

1. Im Beschwerdefall ist einzig die Frage strittig, ob der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , mit dem die Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers ab festgestellt und ihm der Erwerb und Besitz von genehmigungspflichtigen Schusswaffen untersagt wurde, der beantragten Ausstellung einer Waffenbesitzkarte ungeachtet dessen entgegensteht, dass mit Bescheid der Zivildienstverwaltungs-GmbH vom die Nichteignung des Beschwerdeführers zum Zivildienst auf Dauer festgestellt wurde.

2. Im Zeitpunkt der Erlassung des oben genannten Bescheids des Bundesministers für Inneres vom stand das Zivildienstgesetz 1986 - ZDG idF der Novelle BGBl I Nr 28/2000 in Geltung.

Die maßgebenden Bestimmungen dieses Gesetzes (in der genannten Fassung) lauteten - auszugsweise - wie folgt:

"§ 2. (Verfassungsbestimmung) (1) Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 1990 - WG, BGBl. Nr. 305, die zum Wehrdienst tauglich befunden wurden, können erklären (Zivildiensterklärung),

1. die Wehrpflicht nicht erfüllen zu können, weil sie es - von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen Menschen anzuwenden, und daher bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot geraten würden und

2. deshalb Zivildienst leisten zu wollen.

(4) Mit Einbringung einer mängelfreien Zivildiensterklärung wird der Wehrpflichtige von der Wehrpflicht befreit und zivildienstpflichtig; er hat nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes Zivildienst zu leisten. …

Befreiung von der Wehrpflicht und Widerruf der Befreiung

§ 5. …

(4) Der Bundesminister für Inneres hat ohne unnötigen Aufschub mit Bescheid festzustellen, ob Zivildienstpflicht eingetreten ist. …

(5) (Verfassungsbestimmung) In dem Bescheid gemäß Abs. 4 hat der Bundesminister für Inneres jedem Zivildienstpflichtigen den Erwerb und den Besitz von genehmigungspflichtigen Waffen sowie das Führen von Schußwaffen für die Dauer der Zivildienstpflicht, höchstens jedoch für 15 Jahre, zu untersagen.

§ 5a. …

(3) Eine Zivildiensterklärung ist mangelhaft, wenn

1. feststeht, daß der Wehrpflichtige für den Wehrdienst nicht tauglich ist (§ 2 Abs. 1), oder

(4) Weist eine Zivildiensterklärung Mängel auf, ist mit Bescheid festzustellen (§ 5 Abs. 4), daß die Zivildienstpflicht nicht eingetreten ist. …

§ 6. (1) Der Zivildienstpflichtige kann die Zivildiensterklärung widerrufen. Hiezu muß er erklären, daß er die Erfüllung der Wehrpflicht nicht mehr aus den in § 2 Abs. 1 genannten Gründen verweigere. Die Widerrufserklärung ist schriftlich oder mündlich beim Bundesminister für Inneres oder beim Militärkommando einzubringen. …

(2) Mit Einbringung einer Widerrufserklärung gemäß Abs. 1 erlischt die Zivildienstpflicht. Der Bundesminister für Inneres hat mit Bescheid festzustellen, ob die Zivildienstpflicht erloschen ist.

(4) Mit Einbringung einer Widerrufserklärung (Abs. 2) und mit Aufhebung der Zivildienstpflicht (Abs. 3) unterliegt der Betreffende der Wehrpflicht im Sinne des Wehrgesetzes. Der Bundesminister für Inneres hat das Militärkommando davon unverzüglich in Kenntnis zu setzen und ihm gleichzeitig die in § 5 Abs. 3 angeführten Unterlagen zurückzusenden.

Zivildienst

§ 6a. (1) Der Zivildienst gliedert sich in den ordentlichen und den außerordentlichen Zivildienst.

Ordentlicher Zivildienst

§ 7. (1) Zum ordentlichen Zivildienst sind alle Zivildienstpflichtigen verpflichtet, die das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Zivildienstflichtige, bei denen sich die Dauer des ordentlichen Zivildienstes vom Tag der Zuweisung an über die Vollendung des 35. Lebensjahres hinaus erstreckt, sind verpflichtet, diesen Zivildienst noch zur Gänze zu leisten.

§ 9. (1) Die Verpflichtung ist zu einer Dienstleistung auszusprechen, die den Fähigkeiten des Zivildienstpflichtigen soweit wie möglich entspricht. Über die körperliche Eignung ist im Zweifelsfall ein Gutachten des Amtsarztes derjenigen Bezirksverwaltungsbehörde einzuholen, in deren Sprengel der Zivildienstpflichtige seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthalt hat; …

§ 12. (1) Von einer Zuweisung sind ausgeschlossen:

2. Zivildienstpflichtige, die, erforderlichenfalls nach der Feststellung des gemäß § 19 Abs. 2 zuständigen Amtsarztes geistig oder körperlich zu jedem Zivildienst dauernd oder vorübergehend unfähig sind und bei denen die Herstellung der Dienstfähigkeit in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, für die Dauer der Dienstunfähigkeit.

(2) Der Zuweisungsbescheid ist vom Bundesminister für Inneres aufzuheben, wenn sich nach der Zuweisung herausstellt, daß die im Abs. 1 genannten Voraussetzungen zur Zeit der Zuweisung gegeben waren. Für die verbleibende Dienstzeit hat sobald wie möglich eine neuerliche Zuweisung zu erfolgen.

Außerordentlicher Zivildienst

§ 21. (1) Der Bundesminister für Inneres hat Zivildienstpflichtige bei Elementarereignissen, Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges und außerordentlichen Notständen (insbesondere in Zeiten, in denen Wehrpflichtige zur Leistung des Einsatzpräsenzdienstes einberufen werden) im personell und zeitlich notwendigen Ausmaß zur Leistung des außerordentlichen Zivildienstes zu verpflichten. ...

(3) Die Pflicht, außerordentlichen Zivildienst zu leisten, erlischt mit der Vollendung des 50. Lebensjahres.

§ 56. (1) …

(2) Zivildienstpflichtige, die ihren Aufenthalt für länger als sechs Monate in das Ausland verlegen, haben dies unverzüglich dem Bundesministerium für Inneres und der örtlich zuständigen österreichischen Vertretungsbehörde zu melden. Die Rückverlegung des Aufenthaltes in das Inland ist vom Zivildienstpflichtigen binnen drei Wochen dem Bundesministerium für Inneres zu melden. Dies gilt jedoch nicht für Zivildienstpflichtige,

1) deren dauernde Untauglichkeit für jeden Zivildienst festgestellt worden ist oder

2) die ihren ordentlichen Zivildienst vollständig geleistet haben und denen kein Bereitstellungsschein (§ 21a Abs. 2) ausgefolgt worden ist.

§ 75b. (Verfassungsbestimmung) Zivildienstpflichtigen darf innerhalb der Geltung des Verbotes gemäß § 5 Abs. 5 von den Sicherheitsbehörden keine Erlaubnis zum Erwerb, Besitz oder Führen von Waffen im Sinne des § 1 des Waffengesetzes 1986 erteilt werden; ausgestellte derartige Urkunden sind zu entziehen."

3. Der Zivildienst war (§ 2 Abs 1 ZDG in der Stammfassung) und ist (§ 1 Abs 1 ZDG idgF) als Ersatzdienst für den Fall der Verweigerung der Erfüllung der Wehrpflicht aus Gewissensgründen konzipiert (vgl auch Art 9a Abs 3 bzw (nunmehr) Abs 4 B-VG). Zivildienstpflichtig kann demnach nur der taugliche Wehrpflichtige werden: Eine Zivildiensterklärung können nur zum Wehrdienst für tauglich Befundene abgeben (§ 2 bzw § 1 Abs 1 ZDG). Nur eine "mängelfreie" Zivildiensterklärung des Wehrpflichtigen befreit diesen von der Wehrpflicht und macht zivildienstpflichtig (§ 2 Abs 4 erster Satz ZDG (nunmehr: § 1 Abs 4 erster Satz ZDG)). Eine Zivildiensterklärung ist (ua) dann mangelhaft, wenn feststeht, dass der Wehrpflichtige für den Wehrdienst nicht tauglich ist (§ 5a Abs 3 Z 1 ZDG). In einem derartigen Fall wäre vom Bundesminister für Inneres in dem mit § 5a Abs 4 ZDG zu erlassenden Bescheid festzustellen, dass Zivildienstpflicht nicht eingetreten ist.

4. Hinsichtlich der Frage, was zu gelten hat, wenn die Untauglichkeit des Wehr- bzw Zivildienstpflichtigen nachträglich (also nach Feststellung der Tauglichkeit zum Wehrdienst und nach der durch Bescheid des Bundesministers für Inneres gemäß § 5a Abs 4 ZDG erfolgten Feststellung, dass Zivildienstpflicht eingetreten ist) eintritt, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl 92/11/0288, Folgendes ausgeführt:

"Aus dem Charakter des Zivildienstes als Ersatzdienst folgt zwangsläufig, daß ebenso wie ihr Entstehen auch der Weiterbestand der Zivildienstpflicht davon abhängt, daß der Zivildienstpflichtige weiterhin tauglich zum Wehrdienst ist. Fällt diese Eignung nachträglich weg, so geht damit auch die Verpflichtung zur Leistung von Zivildienst unter.

Dem steht die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung aufrechter Beschlüsse von Stellungskommissionen über die Tauglichkeit Wehrpflichtiger (vgl. hinsichtlich der Erlassung von Einberufungsbefehlen u.a. das Erkenntnis vom , Zl. 89/11/0181, und hinsichtlich der Prüfung der Erklärung von Zivildienstwerbern nach § 2 Abs. 1 ZDG den Beschluß vom , Zl. 93/11/0005) nicht entgegen. Dieser Rechtsprechung liegen ausschließlich Fälle zugrunde, in denen es um die Beurteilung der Tauglichkeit von Wehrpflichtigen ging. Wehrpflichtigen ist durch § 24 Abs. 8 des Wehrgesetzes 1990 die Möglichkeit eingeräumt, bei Vorliegen von Anhaltspunkten für eine Änderung ihrer Eignung zum Wehrdienst eine neuerliche Stellung zu beantragen und damit diese Frage neu aufzurollen. Eine vergleichbare Bestimmung findet sich im Zivildienstgesetz nicht. Zivildienstpflichtige haben auch nicht die Möglichkeit, eine neuerliche Stellung gemäß § 24 Abs. 8 des Wehrgesetzes 1990 zu beantragen, da sie nicht Wehrpflichtige sind. Bejahte man nun auch bei einem Zivildienstpflichtigen die Bindung an den aufrechten Beschluß der Stellungskommission über seine Tauglichkeit in dem Sinne, daß auch eine Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes für die Zivildienstbehörde unbeachtlich wäre, so könnte diese Frage nie mehr aufgerollt werden. Damit könnte ein Zivildienstpflichtiger, der nachträglich untauglich zum Wehrdienst geworden und damit nicht mehr zur Leistung von Zivildienst verpflichtet ist, dessen ungeachtet unter Hinweis auf die bestehende Bindungswirkung des seine Tauglichkeit feststellenden Beschlusses der Stellungskommission zur Leistung von Zivildienst zugewiesen werden. Ein derartiges Ergebnis widerspräche dem verfassungsgesetzlich vorgezeichneten Charakter des Zivildienstes als Ersatzdienst. Aus diesen Erwägungen steht bei Zivildienstpflichtigen der Beschluß der Stellungskommission über die Tauglichkeit zum Wehrdienst der Beurteilung dieser Frage durch die Zivildienstbehörde nicht entgegen."

5. Im Beschwerdefall steht - was von der belangten Behörde gar nicht in Zweifel gezogen wurde - auf Grund des vom Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren vorgelegten Bescheids der Zivildienstverwaltungs GmbH vom die "gesundheitliche Nichteignung (des Beschwerdeführers) zur Leistung jedes Zivildienstes auf Dauer" fest.

Vor diesem Hintergrund ist - im Lichte der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs zur Beurteilung der Tauglichkeit zum Wehrdienst (vgl etwa das Erkenntnis vom , 2011/11/0216, mwN) einerseits und der Eignung zur Erbringung von Leistungen im Rahmen des Zivildienstes andererseits (vgl auch diesbezüglich das oben zitierte Erkenntnis 92/11/0288) - auf Basis der Aktenlage der rechtlichen Beurteilung zu Grunde zu legen, dass der Beschwerdeführer auch zum Wehrdienst nicht tauglich ist.

6. Da aber, wie ausgeführt, der Weiterbestand der Zivildienstpflicht (auch) davon abhängt, dass der Zivildienstpflichtige weiterhin tauglich zum Wehrdienst ist, muss davon ausgegangen werden, dass die Zivildienstpflicht des Beschwerdeführers - ungeachtet dessen, dass sie gemäß § 21 Abs 3 ZDG im Regelfall erst mit Vollendung des 50. Lebensjahres endet - erloschen ist.

Der Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , mit dem dem Beschwerdeführer Erwerb und Besitz genehmigungspflichtiger Waffen für die Dauer der Zivildienstpflicht untersagt wurde, steht der beantragten Ausstellung einer Waffenbesitzkarte daher nicht (mehr) entgegen.

7. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl II Nr 455.

Das die Pauschalsätze der zitierten Verordnung übersteigende Kostenmehrbegehren war abzuweisen.

Wien, am

Fundstelle(n):
QAAAE-71586