VwGH vom 21.07.2011, 2007/18/0778
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch, den Hofrat Mag. Eder, die Hofrätin Mag. Merl und die Hofräte Mag. Haunold und Mag. Straßegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Krawarik, über die Beschwerde des E N in W, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , Zl. SD 1447/07, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Kamerun, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 sowie § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein für die Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei im November 1999 unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und habe am einen Asylantrag gestellt, der mit Bescheid vom abgewiesen worden sei. Die dagegen gerichtete Berufung sei vom Beschwerdeführer zurückgezogen worden, sodass der Bescheid am in Rechtskraft erwachsen sei.
Am habe der Beschwerdeführer einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" (gemeint:
auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 Abs. 1 FrG) eingereicht, weil er am in Wien die österreichische Staatsbürgerin A M. geheiratet habe. Die Niederlassungsbewilligung sei zunächst antragsgemäß erteilt worden.
Der Beschwerdeführer sei ab dem in der D.- Gasse mit Hauptwohnsitz behördlich gemeldet gewesen. Seine Ehefrau habe sich am jedoch an dieser Adresse nur mit Nebenwohnsitz angemeldet und ihren Hauptwohnsitz in der A.-Gasse beibehalten.
Erhebungen hätten ergeben, dass A M. an ihrem Hauptwohnsitz mit einem österreichischen Mann und drei Kindern wohnhaft sei, ein "Schwarzafrikaner" sei den Hausbewohnern aber nicht bekannt. A M., die in der Wohnung angetroffen worden sei, habe gesagt, ihr Ehemann wohne in der D.-Gasse, weil er immer in der Nacht arbeite und niemanden stören wolle; R P., der bei ihr seit gemeldet sei, wohne jedoch nicht bei ihr. In diesem Moment sei ein lediglich mit einer Unterhose bekleideter Mann aus dem Wohnzimmer gekommen und habe A M. gefragt, wann endlich das Essen fertig sei. Dieser Mann habe dem Erhebungsorgan gegenüber gestanden, R P. zu sein und gemeinsam mit seiner Tochter D seit September 2004 bei A M. zwar ständig zu wohnen, aber nicht deren Lebensgefährte zu sein. A M. habe angegeben, vor langer Zeit eine intime Beziehung mit R P. gehabt zu haben, ihn aber jetzt nur mehr als guten Freund zu betrachten und ihm Unterkunft zu gewähren.
Eine Erhebung an der Wohnadresse des Beschwerdeführers habe ergeben, dass laut Angaben einer Hausbewohnerin die dort wohnhafte "Schwarzafrikanerin G" ihr gegenüber gesagt habe, sie wohne in der Wohnung gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten. Über Vorzeigen der Lichtbilder des Beschwerdeführers und von G habe die Hausbewohnerin sofort bestätigt, dass es sich dabei um die ihr bekannte G und ihren Lebensgefährten, den "dicken Schwarzafrikaner", handle. A M. habe die Hausbewohnerin jedoch nicht gekannt und auch noch nie im Haus gesehen.
Die Verständigung von den bisherigen Verfahrensergebnissen vom sei unbeantwortet geblieben. Der Beschwerdeführer habe sich jedoch am bei A M. in der A.-Gasse mit Nebenwohnsitz und in der D.-Gasse mit Hauptwohnsitz behördlich angemeldet. A M. hingegen habe ihren Nebenwohnsitz in der D.-Gasse mit wieder abgemeldet.
In der fristgerechten Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid werde das Vorliegen einer Aufenthaltsehe zwischen dem Beschwerdeführer und A M. energisch bestritten. Die Beibehaltung von zwei Wohnungen nach der Eheschließung habe der Beschwerdeführer mit unterschiedlichen kulturellen Gewohnheiten und der Tatsache, dass er in der Nacht arbeite und untertags Ruhe brauche, die er in der Wohnung seiner Frau nicht finden könne, weil diese dort mit ihren drei Kindern - eines davon krank und behindert - wohne, begründet.
Ergänzend durchgeführte Erhebungen durch die belangte Behörde hätten laut Bericht vom ergeben, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers seit mit Hauptwohnsitz in H.-G. gemeldet sei, wobei als Unterkunftgeber R P. aufscheine. Auch an der Adresse des Beschwerdeführers seien fortgesetzte Erhebungen vorgenommen worden, wobei eine weitere Hauspartei den Beschwerdeführer sofort als den "dicken Schwarzafrikaner" erkannt habe, der eine Beziehung zu einer Schwarzafrikanerin unterhalte; A M. sei der Hauspartei jedoch nicht bekannt gewesen. Die Pächterin eines im selben Wohnhaus befindlichen Massagestudios kenne den Beschwerdeführer und habe auch schon mit ihm geplaudert. Bei einem der Gespräche sei er in Begleitung einer Schwarzafrikanerin gewesen, die er als seine Freundin vorgestellt habe. In Begleitung einer weißhäutigen Frau habe sie den Beschwerdeführer noch nie gesehen. An der Wohnanschrift von A M. habe festgestellt werden können, dass sich diese samt ihren drei Kindern dort nicht mehr aufhalte und die Wohnung leer stehe. A M. habe bei ihrer Vernehmung am das Geburtsdatum, den Geburtsort und die Namen der Eltern und der angeblich neun Geschwister des Beschwerdeführers nicht gekannt; sie wisse auch nicht, dass er Asylwerber gewesen sei. Er sei noch nie verheiratet gewesen, habe aber in der Schweiz drei Kinder. Der Beschwerdeführer habe ihr erzählt, in Österreich Informatik studiert zu haben, nähere Angaben zu seiner schulischen und beruflichen Ausbildung könne sie nicht machen. Sie unterhalte sich mit dem Beschwerdeführer auf Deutsch. Geschlechtsverkehr habe sie mit dem Beschwerdeführer vor etwa sechs Monaten gehabt, sie wolle sich aber scheiden lassen. Das Datum der Eheschließung habe sie nicht angeben können, weil sie generell ein schlechtes Zahlengedächtnis hätte.
Der Bürgermeister der Gemeinde H.-G., in der A M. nun ihren Hauptwohnsitz habe, habe zu Protokoll gegeben, dass R P. seit Juni 2006 in der Gemeinde ein Lokal betreibe und seit April 2006 hier aufhältig sei. Seit August 2006 wohne auch A M. in dessen Wohnung. Diese habe Reinhard P. ihm gegenüber als dessen Lebensgefährtin bezeichnet.
In der abschließenden Stellungnahme habe der Beschwerdeführer am sinngemäß ausgeführt, dass seines Wissens kein Scheidungsverfahren anhängig sei. Er besuche insbesondere die Kinder seiner Ehefrau regelmäßig und unterstütze sie auch finanziell.
Die belangte Behörde hat unter Bezugnahme auf die maßgeblichen Bestimmungen des § 86 und des § 87 FPG erwogen, dass die in der Sachverhaltsdarstellung des Bescheides angeführten Erhebungsergebnisse, Indizien und Fakten eindeutig in Richtung des Vorliegens einer Aufenthaltsehe zwischen dem Beschwerdeführer und A M. wiesen. Vorerst sei auf den erheblichen Altersunterschied zwischen dem Beschwerdeführer und der um elf Jahre älteren A M. hinzuweisen, der nach den Erfahrungen der belangten Behörde für Aufenthaltsehen geradezu typisch sei. Noch wesentlicher seien jedoch die Erhebungsergebnisse vom August 2005 und März 2007, wonach die Ehepartner in den Wohnhäusern des jeweils anderen unbekannt seien. Entscheidend sei außerdem, dass R P. ein dreiviertel Jahr nach der Eheschließung zwischen dem Beschwerdeführer und A M. in deren Wohnung - nur mit Unterhose bekleidet und nach dem Essen fragend - habe angetroffen werden können und zwei Jahre später mit A M. und deren drei Kindern nach Niederösterreich gezogen sei. Es sei auch sehr unwahrscheinlich, dass eine Ehefrau weder Geburtsort noch Geburtsdatum (des Ehemannes) oder das Datum der Eheschließung wisse und auch keine Ahnung habe, ob ihr Ehemann Asylwerber gewesen sei.
In Ausübung der ihr zukommenden freien Beweiswürdigung halte es die belangte Behörde aufgrund der oben dargestellten Beweisergebnisse für erwiesen, dass der Beschwerdeführer mit A M. niemals ein gemeinsames Eheleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt habe. Auf diese Ehe habe sich der Beschwerdeführer aber in seinem Antrag auf Niederlassungsbewilligung berufen.
Das Verhalten des Beschwerdeführers, eine Aufenthaltsehe zwecks Erlangung aufenthalts- und beschäftigungsrechtlicher Vorteile einzugehen, laufe den öffentlichen Interessen zuwider und stelle eine grobe Verletzung der öffentlichen Ordnung, insbesondere auf dem Gebiete eines geordneten Ehe- und Fremdenwesens, dar, sodass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht nur zulässig, sondern sogar dringend geboten sei. Das im Eingehen einer Aufenthaltsehe liegende Verhalten stelle zweifellos auch eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft berühre.
Bei der Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG kam die belangte Behörde zu dem Ergebnis, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei (§ 66 Abs. 1 FPG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 FPG).
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Abgabe einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Die Beschwerde wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe und bringt dazu vor, der Beschwerdeführer habe die getrennt geführten Hauptwohnsitze nie verschwiegen. Er habe in den Jahren 2005 und 2006 überwiegend nachts als Transportfahrer gearbeitet und daher tagsüber die notwendige Ruhe gebraucht, die er aber in der Wohnung von A M. wegen deren Kinder nicht gefunden habe. Eine Tochter von A M. sei behindert und brauche deshalb ständige Betreuung. In diese Betreuung sei auch der frühere Lebensgefährte von A M., R P., eingebunden und dieser sei aus diesem Grund wieder bei ihr eingezogen. Als R P. im Februar 2006 ein Lokal in H.-G. übernommen habe, sei ihm A M. (vor allem der Kinder zuliebe) gefolgt. Diese hätten es nämlich am Land besser. Der Beschwerdeführer besuche A M. und die Kinder aber wann immer er Zeit habe und trage auch zu deren Unterhalt bei. Diese untypische Gestaltung der Ehe rechtfertige jedoch nicht die Einschätzung der belangten Behörde, er sei mit A M. eine Aufenthaltsehe eingegangen und habe ein Familienleben iSd Art. 8 EMRK nie geführt. Die bestehende Wirtschaftsgemeinschaft und die in der Vernehmung vom von A M. erwähnte Geschlechtsgemeinschaft sprächen für den Bestand eines gemeinsamen Familienlebens.
Die belangte Behörde hat das Ergebnis ihrer Beweiswürdigung mit den Erhebungsergebnissen an den beiden Wohnsitzen in Wien sowie mit den Aussagen von A M. und des Bürgermeisters von H.-G. begründet. Zum einen hat A M. keine Angaben etwa zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers, zum Datum der Eheschließung oder zu seinem schulischen oder beruflichen Hintergrund machen können und auch nicht gewusst, dass dieser Asylwerber war. Dabei handelt es sich aber um Umstände, bei denen nach allgemeiner Lebenserfahrung im Fall des Eingehens und des Bestehens einer echten Ehe durchaus verlässliche Angaben zu erwarten sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2010/18/0265). Zum anderen hat der Bürgermeister von H.-G. ausgesagt, dass R P. A M. als seine Lebensgefährten bezeichnet hat. Darauf, dass die Ehepartner am jeweiligen Wohnsitz des anderen in Wien laut der Aussagen mehrerer Hausparteien völlig unbekannt sind und "G" einer Hausbewohnerin gegenüber den Beschwerdeführer auch als ihren Lebensgefährten bezeichnet hat, geht die Beschwerde mit keinem Wort ein.
Soweit der Beschwerdeführer trotz der getrennten Wohnsitze die tatsächliche Existenz einer Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft behauptet, führt er keinen konkreten Lebenssachverhalt an, der dafür spräche. Er hat zum Nachweis dafür auch im Verwaltungsverfahren keine Beweise vorgelegt oder diesbezügliche Beweisanträge gestellt.
Auf Grund der dargestellten Erwägungen gelingt es der Beschwerde nicht, eine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde aufzuzeigen. Diese begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Kontrollbefugnis keinen Bedenken.
Es ist somit davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer eine Aufenthaltsehe eingegangen ist, indem er eine Ehe geschlossen, sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen, aber mit seiner Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nie geführt hat. Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass dann die Voraussetzungen des - infolge § 87 FPG hier zur Anwendung zu bringenden - § 86 FPG gegeben sind (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0157).
Wenn die Beschwerde vorbringt, dass R P. zu dem gemeinsamen Wohnsitz mit Angelika M. und der Bürgermeister von H.-G. zur Person des Beschwerdeführers hätten befragt werden müssen, legt die Beschwerde - abgesehen davon, dass ein entsprechender Beweisantrag im Laufe des Verwaltungsverfahrens nicht gestellt wurde - auch nicht dar, welche konkreten Angaben die Zeugen zur Frage des Vorliegens eines gemeinsamen Familienlebens zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehefrau hätten machen können; somit wurde die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht dargetan.
Entgegen der Beschwerdeansicht setzt die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, die Nichtigerklärung der Ehe nicht voraus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2007/18/0566).
Auch das Ergebnis der von der belangten Behörde vorgenommenen Interessenabwägung, auf die die Beschwerde nicht eingeht, ist auf dem Boden der behördlichen Feststellungen nicht zu beanstanden.
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am
Fundstelle(n):
OAAAE-71069