VwGH 22.04.1992, 91/03/0345
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | AVG §71 Abs1 Z1; VwGG §46 Abs1; |
RS 1 | Dem Antragsteller als einer im Geschäftsleben tätigen Person war die Bedeutung der Wahrung von Fristen im Verkehr mit Behörden bewußt. Auf den Umfang seiner rechtlichen Erfahrung kommt es dabei nicht an. Wenn er den handschriftlich verfaßten Einspruch ohne ausdrücklichen Hinweis an die Sekretärin, daß dieser zur Post zu geben sei, auf abzufertigende Schriftstücke auf den Schreibtisch legte und sich in der Folge nicht einmal etwa durch einen telefonischen Anruf, der ihm auch von auswärts nicht unmöglich war, von der rechtzeitigen Postaufgabe überzeugte, so fällt ihm auffallende Sorglosigkeit zur Last, ohne daß dabei ein strenger Maßstab angelegt werden muß. Gerade von einer ansonsten verläßlichen Sekretärin kann nicht erwartet werden, daß sie ein bloß handschriftlich verfaßtes Schreiben an eine Beh ohne entsprechende Anweisung als "postfertiges Schriftstück" behandelt. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des G in N, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom , Zl. 15/88-1/1991, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen eine Strafverfügung wegen einer Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt. Am gab der Beschwerdeführer einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Einspruchsfrist unter gleichzeitiger Nachholung des Einspruches gegen diese Strafverfügung zur Post. Darin machte er geltend, daß er die Strafverfügung am im Betrieb seines Vaters, in dem er als Geschäftsführer beschäftigt sei, eigenhändig entgegengenommen habe. Am habe er um ca. 20 Uhr von der im Betrieb beschäftigten, namentlich bezeichneten Sekretärin vorgefertigte Geschäftsbriefe durchgelesen und unterzeichnet. Da ihm bekannt gewesen sei, daß er am bereits morgens zu einem Seminar in München aufbrechen müsse, habe er die gesamten Briefe der Sekretärin zur Abfertigung auf den Schreibtisch gelegt. Da die Sekretärin zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Betrieb gewesen sei, habe er handschriftlich einen Einspruch gegen die Strafverfügung vom geschrieben und diesen handschriftlichen Einspruch auf die abzufertigenden Schriftstücke gelegt, damit der Einspruch noch fristgerecht von der Sekretärin am abgefertigt werde. Offensichtlich habe jedoch die Sekretärin aufgrund des Umstandes, daß der Einspruch handschriftlich geschrieben gewesen sei, diesen als Notiz angesehen. Es sei sohin unterlassen worden, den Einspruch rechtzeitig zur Post zu bringen. Nachdem er erst am vom Seminar zurückgekehrt sei, habe er erst am bemerkt, daß der von ihm handschriftlich geschriebene Einspruch nicht abgefertigt worden sei. Da die Sekretärin ansonsten durchaus verläßlich sei und von ihm auf den Schreibtisch gelegte Schriftstücke immer abgefertigt würden, habe seinerseits nicht damit gerechnet werden können, daß der Einspruch nicht rechtzeitig abgefertigt werden würde.
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom wurde dieser Antrag als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten, und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird in der zu § 46 Abs. 1 VwGG ergangenen und zufolge der Identität des Begriffsinhaltes auch auf § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG anzuwendenden hg. Rechtsprechung (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 663, zitierte Judikatur) als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber (oder sein Vertreter) darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben.
Im Beschwerdefall kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zum Ergebnis gelangte, daß dem Beschwerdeführer ein über einen minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden an der Versäumung der Einspruchsfrist getroffen hat. Daß dem Beschwerdeführer als einer im Geschäftsleben tätigen Person die Bedeutung der Wahrung von Fristen im Verkehr mit Behörden bewußt war, wurde von ihm nicht bestritten. Auf den Umfang seiner rechtlichen Erfahrung kommt es dabei nicht an. Wenn er den handschriftlich verfaßten Einspruch ohne ausdrücklichen Hinweis an die Sekretärin, daß dieser zur Post zu geben sei, auf abzufertigende Schriftstücke auf den Schreibtisch legte und sich in der Folge nicht einmal etwa durch einen telefonischen Anruf, der ihm auch von auswärts nicht unmöglich gewesen sein konnte, von der rechtzeitigen Postaufgabe überzeugte, so fällt ihm auffallende Sorglosigkeit zur Last, ohne daß dabei ein strenger Maßstab angelegt werden müßte. Gerade von einer "ansonsten verläßlichen" Sekretärin kann nicht erwartet werden, daß sie ein bloß handschriftlich verfaßtes Schreiben an eine Behörde ohne eine entsprechende Anweisung als "postfertiges Schriftstück" behandeln würde. Daß eine derartige Vorgangsweise im Betrieb üblich gewesen sei, geht aus dem Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag nicht hervor. Bei dieser Sachlage kann auch nicht davon gesprochen werden, daß der Sekretärin beim rein technischen Vorgang der Abfertigung ein Fehler unterlaufen sei.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.
Zusatzinformationen
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Normen | AVG §71 Abs1 Z1; VwGG §46 Abs1; |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1992:1991030345.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAE-56366