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OGH vom 08.03.2012, 13Os150/11z

OGH vom 08.03.2012, 13Os150/11z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Antje H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Antje H*****, Herbert S***** und Andreas W***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 123 Hv 93/10p 335, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Antje H***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB (B), Herbert S***** der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 148 zweiter Fall und 12 zweiter und dritter Fall und 15 StGB (A/II, C) und der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (D) sowie Andreas W***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und „Abs 2“, 148 (richtig:) zweiter Fall und 12 zweiter Fall StGB (A/I und II) schuldig erkannt.

Danach haben in Wien und anderen Orten Österreichs mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz

(A) Herbert S***** und Andreas W***** gewerbsmäßig andere dazu bestimmt, Dritte durch die Vorgabe, Antje H***** und Herbert S***** seien ehrenamtliche Mitarbeiter des „H*****“, hätten als solche Zugang zu einem lukrativen Bonifaktionsmodell und würden übernommene Gelder an das H***** weiterleiten, unter Vorlage von Urkunden unwahren Inhalts zur vermeintlichen Veranlagung von jeweils 3.000 Euro übersteigenden Beträgen zu verleiten, wobei Herbert S***** überdies zu den Betrugshandlungen beitrug, indem er Konten oder Sparbücher zur Verfügung stellte, auf welche die herausgelockten Geldbeträge eingezahlt wurden, und diese behob, nämlich

I) Andreas W***** vom Jahr 2006 bis zum Februar 2009 Antje H***** und Herbert S***** in 32 Fällen zur Täuschung im Urteilstenor genannter Personen, was diese mit insgesamt rund 1,5 Mio Euro am Vermögen schädigte, sowie

II) Herbert S***** und Andreas W***** vom November 2008 bis zum März 2009 im einverständlichen Zusammenwirken Antje H***** in neun Fällen zur Täuschung im Urteilstenor genannter Personen, was diese mit etwa 190.000 Euro am Vermögen schädigte, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist,

(B) Antje H***** vom November 2008 bis zum März 2009 in neun Fällen im Urteilstenor genannte Personen durch die Vorgabe, sie und Herbert S***** seien ehrenamtliche Mitarbeiter des H*****, hätten als solche Zugang zu einem lukrativen Bonifikationsmodell und würden übernommene Gelder an das „H*****“ weiterleiten, teilweise unter Vorlage von Urkunden unwahren Inhalts, zur vermeintlichen Veranlagung von namhaften Beträgen verleitet und dadurch die Getäuschten mit insgesamt ca 190.000 Euro am Vermögen geschädigt, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben ist,

(C) Herbert S***** gewerbsmäßig andere durch Täuschung über Tatsachen zu vermögensschädigenden Handlungen verleitet und zwar

1) durch die Vortäuschung seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit zur Gewährung von Darlehen, nämlich

a) vom Jahr 2003 bis zum Ingeborg C***** in der Höhe von rund 280.000 Euro und

b) vom Jahr 2004 bis zum Antje H***** in der Höhe von zumindest 150.000 Euro,

2) Ingeborg C***** durch Vortäuschung seiner Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit zur Auslegung von etwa 38.000 Euro an Lebenserhaltungskosten und

3) im August 2005 Erika S***** durch die Vorgabe, von ihr erhaltenes Geld gewinnbringend anzulegen, zur Übergabe eines Sparbuchs mit einer Einlage von rund 6.000 Euro, weiters

(D) Herbert S***** vom Jahr 2006 bis zum Oktober 2008 250.000 Euro, die ihm von den durch die zu A/I beschriebenen Malversationen geschädigten Personen anvertraut worden sind, sich zugeeignet.

Die dagegen von Antje H***** aus Z 5, 5a, 9 lit a und 10, von Herbert S***** und Andreas W***** jeweils aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Antje H***** :

Soweit die Mängelrüge (Z 5) mit dem Vorbringen, die angefochtene Entscheidung lasse nicht erkennen, gegenüber welchen Geschädigten die Beschwerdeführerin Urkunden unwahren Inhalts verwendet habe, Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) einwendet, bezieht sie sich im Hinblick darauf, dass die einzelnen Taten rechtlich zu einer Subsumtionseinheit zusammenzufassen sind (vgl US 8), nicht auf schuld oder subsumtionsrelevante Umstände (13 Os 30/07x; Ratz in WK² § 29 Rz 6; vgl auch RIS Justiz RS0112520).

Unvollständig (Z 5 zweiter Fall) ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 421), was mit dem eben behandelten Einwand nicht behauptet wird.

Das Erstgericht begründet (den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend [Z 5 vierter Fall]), aus welchen Verfahrensergebnissen es die Feststellungen zum „Betrugsvorsatz“ der Beschwerdeführerin ableitet (US 19), was die voluntative Komponente der subjektiven Tatseite (mangels Einschränkung auf deren intellektuelle Komponente) einschließt.

Auf mögliche Überlegungen der Beschwerdeführerin bezogene Einschätzungen des Zeugen Stefan F***** erörterte das Erstgericht zu Recht nicht, weil Schlussfolgerungen oder Wertungen nicht Gegenstand des Zeugenbeweises sind ( Kirchbacher , WK StPO § 154 Rz 8).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass selbst die Annahmen, die Beschwerdeführerin sei nach dem Gespräch mit diesem Zeugen, der in der Finanzabteilung des „H*****“ beschäftigt war, „wahrscheinlich noch mehr verwirrter als vorher“ gewesen (ON 294 S 17) oder es habe in Bezug auf die Ausführungen des Stefan F***** zum Nichtbestehen des Bonifikationsmodells „bei ihr einen gewissen Zweifel gegeben“ (ON 294 S 23), der Urteilsfeststellung zumindest bedingten Vorsatzes (§ 5 Abs 1 StGB) keineswegs entgegenstehen würden.

Die Tatrichter legten in eingehender Beweiswürdigung dar, aus welchen Gründen sie die leugnende Verantwortung (auch) der Beschwerdeführerin als widerlegt erachteten (US 18 bis 22). Zu einer darüber hinausgehenden Erörterung sämtlicher Details deren Verantwortung waren sie unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit mit Blick auf das Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verhalten ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 428).

Der Einwand, „deshalb war ich auch den Beteuerungen W*****s umso leichter zugänglich, der mir unter Hinweis auf die hohen kirchlichen Würdenträger versicherte, dass wegen der Geheimhaltung des Projektes darüber nicht gesprochen werden dürfe und mich so damit überzeugte, dass alles rechtens sei; schließlich habe ich selbst nach dem hohe Summen in das angebliche Bonifikationsmodell investiert“, richtet sich nicht nach den Anfechtungskategorien des § 281 Abs 1 StPO.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpft sich in einem pauschalen Verweis auf das Vorbringen zur Mängelrüge und lässt solcherart nicht erkennen, aufgrund welcher Verfahrensergebnisse welche Urteilsfeststellungen erheblichen Bedenken begegnen sollen.

Das Erstgericht traf detaillierte Feststellungen zur betrügerischen Vorgangsweise der drei Angeklagten (US 14 bis 16) und hielt ausdrücklich fest, dass diese in allen im Urteilstenor genannten Fällen gleichartig vorgingen (US 15). Darüber hinaus nahm es alle erforderlichen Konstatierungen zu den subjektiven Tatbestandsmerkmalen vor und stellte fest, dass auch diese im gesamten Tatzeitraum erfüllt waren (US 17). Weshalb diese Urteilstechnik die rechtsrichtige Subsumtion hindern soll (Z 9 lit a), wird nicht klar.

Die Tatrichter stellten ausdrücklich fest, dass die Beschwerdeführerin (erst) ab November 2008 vorsätzlich handelte (US 17). Der behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zur Konstatierung, sie und Herbert S***** seien bis zu diesem Zeitpunkt „willenlose Werkzeuge“ des Andreas W***** gewesen (US 14), liegt nicht vor.

Warum die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 17) den Schuldspruch nicht tragen sollen, sagt die Beschwerde nicht.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) leitet nicht aus dem Gesetz ab ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 588), weshalb Feststellungen darüber, gegenüber welchen Personen die Beschwerdeführerin Urkunden unwahren Inhalts verwendet hat, angesichts der hinsichtlich der dem Schuldspruch (B) zu Grunde liegenden Taten zu bildenden Subsumtionseinheit für die rechtliche Unterstellung relevant sein sollen (dazu erneut 13 Os 30/07x; RIS Justiz RS0112520; Ratz in WK² § 29 Rz 6).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Herbert S***** :

Das Erstgericht legte den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend (Z 5 vierter Fall) dar, aus welchen Gründen es die leugnende Verantwortung der Angeklagten insbesondere auch die Beteuerung des Beschwerdeführers, auf die Korrektheit des „Bonifikationsmodells“ vertraut zu haben (US 19) als widerlegt erachtete (US 18 bis 22). Eine darüber hinausgehende Erörterung einzelner Details der Aussagen der Angeklagten war unter dem Aspekt der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht vorzunehmen.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) erschöpft sich darin, die Feststellungen zur subjektiven Tatseite zu bestreiten und verfehlt solcherart den (auf der Sachverhaltsebene) gerade in den Konstatierungen des Erstgerichts gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Andreas W***** :

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) steht die im Übrigen nicht durch die gebotene Angabe der Fundstelle in den Akten bezeichnete (RIS Justiz RS0124172) Aussage des Zeugen DDr. Michael L*****, wonach er sich an ein vom Angeklagten S***** beschriebenes Zusammentreffen nicht erinnern könne (ON 294 S 3), den Urteilskonstatierungen nicht erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegen.

Mit der Behauptung, diese Zeugenaussage spreche insgesamt gegen die Glaubwürdigkeit der (den Beschwerdeführer betreffenden) Angaben des Angeklagten S*****, wendet sich die Rüge nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Beschwerde auch nicht erkennen lässt, weshalb eine allfällig eingeschränkte Glaubwürdigkeit des Herbert S***** geeignet sein soll, die beweiswürdigenden Überlegungen der Tatrichter zum Schuldspruch des Beschwerdeführers (US 20 bis 22) zu tangieren.

Mit dem Vorbringen zu vom Beschwerdeführer erfundenen „Fantasiepersonen“ spricht die Beschwerde weder schuld noch subsumtionsrelevante Umstände an.

Aus Gründen der Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass die Aussage des Angeklagten S*****, der Beschwerdeführer habe ihm eine Person mit dem Namen „Sch*****“ vorgestellt (ON 290 S 63, 69), der Annahme, der Beschwerdeführer habe (ua) eine Fantasieperson mit dem Namen „Sch*****“ erfunden, nicht erörterungsbedürftig (Z 5 zweiter Fall) entgegensteht.

Indem die Rüge die Frage releviert, ob der Beschwerdeführer die dem Schuldspruch A/I zu Grunde liegenden Taten als alleiniger Bestimmungstäter (§ 12 zweiter Fall StGB) begangen hat, bezieht sie sich erneut nicht auf entscheidende Tatsachen.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass der Beschwerde zuwider auch das Referat der Entscheidungsgründe im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) zweifelsfrei erkennen lässt, dass der Beschwerdeführer insoweit Bestimmungstäter war und die Mitangeklagten zunächst ohne Betrugsvorsatz, in der Folge als unmittelbare Täter (§ 12 erster Fall StGB) handelten (US 3).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet nicht aus dem Gesetz ab, weshalb der Tatbestand des Betrugs den Eintritt einer Bereicherung voraussetzen soll.

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO wird darauf hingewiesen, dass das Tatbestandselement des Bereicherungsvorsatzes allein die innere Tatseite betrifft, es also keine Rolle spielt, ob wirklich eine Bereicherung eingetreten ist (Kirchbacher in WK² § 146 Rz 118).

Auch muss der erweiterte Vorsatz keineswegs darauf gerichtet sein, den Täuschenden selbst zu bereichern (arg „mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern“).

Die Überlegungen dazu, ob von der Gesamtschadenssumme 250.000 Euro oder 260.000 Euro nicht dem Beschwerdeführer, sondern Herbert S***** zugegangen sind, haben abgesehen von der mit Blick auf die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB fehlenden Subsumtionsrelevanz bereits aus den eben angeführten Gründen auf sich zu beruhen.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Mit Blick auf die insoweit unklare Formulierung des Schuldspruchs (US 8) wird diesbezüglich festgehalten, dass auch die Betrugshandlungen des Herbert S***** unabhängig von der Täterschaftsform zu einer einzigen Subsumtionseinheit zusammenzufassen sind ( Ratz in WK² § 29 Rz 4).

Zu den (auf denselben Sachverhalt bezogenen) Schuldsprüchen A/II/7 und B/7 wird anlässlich der Berufungsentscheidung die tatsächliche Schadenshöhe festzustellen sein (vgl ON 240 S 9).

Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts (US 17) erfolgte der Schuldspruch A des Andreas W***** in Bezug auf die Wertqualifikation verfehlt (nicht nach § 147 Abs 3 StGB, sondern) nach § 147 Abs 2 StGB (US 8, ebenso die mündliche Urteilsverkündung ON 334 S 93). Da dieser Rechtsfehler zum Vorteil dieses Angeklagten wirkt, hat er auf sich zu beruhen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Fundstelle(n):
VAAAD-81358