OGH vom 16.01.2012, 10Nc24/11b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C. ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G*****, vertreten durch Greiml Horwath RechtsanwaltsPartnerschaft in Graz, wegen 60.000 EUR sA, AZ 13 Cg 90/11k des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag, die Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu delegieren, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die klagende GmbH mit Sitz in Wien begehrt von dem in Graz ansässigen Beklagten 60.000 EUR sA. Dazu brachte sie vor, sie habe über Auftrag des als Unternehmer anzusehenden, in mehreren Objekten in Wien eine gewerbliche Vermietung betreibenden Beklagten für den Umbau eines Hinterhofgebäudes den vereinbarten Pauschalpreis von 240.000 EUR inklusive 20 % USt nach Fertigstellung in Rechnung gestellt, der Beklagte habe hierauf 180.000 EUR bezahlt, sodass noch der Klagsbetrag von 60.000 EUR unberichtigt aushafte. Im Schriftsatz vom bot die klagende Partei ohne jede Differenzierung nach dem Beweisthema unter anderem 15 Zeugen mit Anschriften in Wien und Niederösterreich an. Weiters beantragte sie die Delegierung des Verfahrens an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, weil dies zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits führe. Sie begründete dies damit, dass sich das verfahrensgegenständliche zu befundende Bauwerk in Wien befinde; dort sei auch der Wohnort sämtlicher Zeugen. Außerdem bliebe dadurch dem zu bestellenden Bausachverständigen eine (möglicherweise wiederholte) Anreise nach Graz erspart. Schließlich habe auch die klagende Partei ihren Sitz im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien.
Der Beklagte bestritt das Klagebegehren dem Grunde und der Höhe nach und wendete Unschlüssigkeit der Klagsforderung ein. Die klagende Partei habe bereits insgesamt 14 Klagen gegen den Beklagten, dasselbe Objekt und denselben Rechtsgrund betreffend, eingebracht. Es sei für die Umbauarbeiten bei sämtlichen Häusern ein Pauschalbetrag von 180.000 EUR vereinbart worden, welchen Betrag der Beklagte bereits bezahlt habe.
Der Beklagte trat dem Delegierungsantrag entgegen. Es seien von ihm auch zwei Zeugen geführt, die ihren Wohnsitz in Graz hätten. Außerdem sei keine Befundaufnahme notwendig, weil die klagende Partei bisher nicht aufschlüsseln habe können, wie sich ihre Klagsforderung errechne.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz befürwortete die Delegierung im Wesentlichen mit der Begründung, dass durch die Durchführung des gesamten Beweisverfahrens in Wien jedenfalls eine raschere und kostengünstigere Verfahrensführung gewährleistet sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegation soll stets den Ausnahmefall darstellen. Durch großzügige Handhabung der Möglichkeiten der Delegation soll nicht eine Durchlöcherung der Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden. Gegen den Widerstand des Prozessgegners hat eine Delegation nur dann zu erfolgen, wenn ihre Zweckmäßigkeit klar erkennbar ist (vgl 3 Nc 24/11a mwN).
Im vorliegenden Fall kann schon deshalb keine Rede davon sein, die Delegierung des Verfahrens nach Wien werde zwingend zu einer Vereinfachung, Beschleunigung oder Verbilligung des Verfahrens führen, weil im Prozess zunächst zu klären sein wird, welche Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen wurden. Mangels jeder Differenzierung ihres Beweisanbots durch die klagende Partei ist aber im jetzigen Verfahrensstadium völlig unklar, welche Beweismittel zu diesem vorrangigen Thema angeboten und aufzunehmen sein werden. Es ist somit jedenfalls derzeit noch gar nicht absehbar, ob es jemals zur Durchführung des gesamten Beweisverfahrens und deshalb zur Notwendigkeit einer Befundaufnahme in Wien und der Einvernahme von (zahlreichen) Zeugen aus Wien (und Umgebung) kommen wird.
Bei dieser Sachlage kann aber dem Beklagten ein schutzwürdiges Interesse an der Beibehaltung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung nicht abgesprochen werden (vgl in diesem Sinne auch bereits die die beiden Verfahrensparteien betreffenden Entscheidungen 3 Nc 24/11a, 5 Nc 23/11v, 4 Nc 23/11m und 6 Nc 21/11g).
Die Voraussetzungen für die beantragte Delegierung liegen daher nicht vor.
Fundstelle(n):
HAAAD-76864