OGH vom 08.02.2012, 5Nc25/11p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Hurch sowie den Hofrat Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C. K***** Ges. m. b. H., *****, vertreten durch Dr. Carl Benkhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Georg S*****, vertreten durch Greiml Horwath Rechtsanwaltspartnerschaft in Graz, wegen 14.400 EUR sA, AZ 17 Cg 212/11f des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Antrag der klagenden Partei, gemäß § 31 JN anstelle des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zur Verhandlung und Entscheidung dieser Rechtssache zu bestimmen, wird abgewiesen.
Text
Begründung:
Die klagende GmbH mit Sitz in Wien begehrt mit der beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage von dem in Graz ansässigen Beklagten die Zahlung von 14.400 EUR sA für Bauleistungen, welche die Klägerin an einem im Eigentum des Beklagten stehenden, in 1150 Wien gelegenen Haus erbracht habe.
Zufolge der vom Beklagten in ihrem Einspruch gegen den antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl erhobenen Einrede der örtlichen (und sachlichen) Unzuständigkeit überwies das Handelsgericht Wien die Rechtssache gemäß § 261 Abs 6 ZPO an das nicht offenbar unzuständige Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz.
Dort beantragte die Klägerin nunmehr, gemäß § 31 JN anstelle des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen. Die Delegierung trage zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens bei, weil sich das Bauwerk, an dem die Klägerin ihre Arbeiten erbracht habe, im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien befinde, dort auch der Wohnort sämtlicher Zeugen sei, einem Bausachverständigen die Anreise nach Graz erspart bleibe und schließlich auch die Klägerin ihren Sitz im Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien habe.
Der Beklagte beantragte, dem Delegierungsantrag der Klägerin keine Folge zu geben. Es seien auch in Graz wohnhafte Zeugen zu hören und bislang stehe die Frage der ordnungsgemäßen Abrechnung durch die Klägerin, nicht aber jene der korrekten Durchführung der Arbeiten im Vordergrund.
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz sprach sich weder eindeutig für noch gegen die von der Klägerin beantragte Delegierung aus.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt:
1. Gemäß § 31 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten (§ 31 Abs 2 JN). Die Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Verbilligung des Rechtsstreits beitragen kann (vgl RIS Justiz RS0046333 [T1]; RS0053169). Die Delegierung ist Ausnahmefall und darf nicht durch großzügige Handhabung zu einer faktischen Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen (RIS Justiz RS0046589 [T1 und T 2]).
2. Es mag zwar zutreffen, dass etwa der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen oder die Lage eines Augenscheingegenstands Zweckmäßigkeitsgründe für die Beurteilung eines Delegierungsantrags darstellen können (vgl RIS Justiz RS0046333 [insb T 8]). Im vorliegenden Fall ist allerdings noch nicht einmal klar, wie sich das Klagebegehren aufschlüsselt und welche konkrete Rechnung der Klägerin ihrem Klagebegehren zugrunde liegen soll (nach der Aktenlage sollen inzwischen bereits 14 verschiedene Geldleistungsklagen aus ein und demselben Vertragsverhältnis eingebracht worden sein). Ob es zur Beurteilung dieser Fragen und folgend zur Entscheidung der vorliegende Rechtssache überhaupt der Bestellung eines Sachverständigen und der Einvernahme der namhaft gemachten Zeugen (für die im Übrigen auch die Möglichkeit der Videoeinvernahme besteht: § 277 ZPO) bedarf, ist daher derzeit gar nicht absehbar.
Zweckmäßigkeitserwägungen, die eindeutig im Sinn aller Verfahrensbeteiligter für die von der Klägerin beantragte Delegierung sprechen, sind daher nach dem derzeitigen Verfahrensstand nicht eindeutig zu erkennen (RIS Justiz RS0046324; zu weiteren, dieselben Parteien betreffenden Verfahren vgl auch 5 Nc 18/11h; 6 Nc 21/11g; 4 Nc 23/11m).
Fundstelle(n):
LAAAD-56863