OGH 04.08.2010, 3Ob133/10w
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Ruggenthaler Rechtsanwalts KG in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. M***** GmbH, und 2. Wolfgang F*****, beide vertreten durch Dr. Kurt Berger und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 46 R 631/09y-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 68 E 4747/09m-4, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Akten werden dem Rekursgericht zur Ergänzung seiner Entscheidung durch gesonderte Bewertungsaussprüche übermittelt.
Text
Begründung:
Das Erstgericht bewilligte der betreibenden Partei gegen die verpflichteten Parteien die Exekution nach § 355 EO und verhängte über sie wegen drei Verstößen gegen den Exekutionstitel in den Ausgaben der von ihnen herausgegebenen Tageszeitung vom , vom und vom je eine Geldstrafe von insgesamt 6.000 EUR.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Parteien gegen diesen Beschluss nicht Folge, erhöhte aber über Rekurs der betreibenden Partei die Geldstrafen auf je 30.000 EUR; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Eine Entscheidung über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Parteien kann derzeit noch nicht ergehen, weil nicht feststeht, ob der Oberste Gerichtshof funktionell zur Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtsmittels nach § 78 EO iVm § 528 ZPO zuständig ist.
1. Bei einem Rechtsmittel gegen die Verhängung einer Geldstrafe, bei dem die Bestrafung an sich Beschwerdegegenstand ist, besteht der Entscheidungsgegenstand nicht iSd § 526 Abs 3 iVm § 500 Abs 2 Z 1 ZPO ausschließlich in Geld (3 Ob 238/09k mwN), sodass ein pauschaler Bewertungsausspruch nicht ausreicht, sondern eine gesonderte Bewertung für jeden einzelnen Verstoß vorzunehmen ist; dies jedenfalls dann, wenn die Verstöße kein gemeinsames Schicksal haben müssen. Bei Ahndung mehrerer Verstöße mittels einer Entscheidung über einen Exekutionsantrag, mit dem mehr als ein Verstoß geltend gemacht wird, ist daher eine gesonderte Bewertung für jeden einzelnen von der zweiten Instanz behandelten Verstoß erforderlich, kann doch das Ergebnis für jede gesonderte Tathandlung unterschiedlich ausfallen (RIS-Justiz RS0120039, besonders [T1]).
2. Im vorliegenden Fall kann aus dem Bewertungsausspruch des Rekursgerichts nicht entnommen werden, dass für die beiden Verstöße gegen den Exekutionstitel jeweils ein 30.000 EUR übersteigender Entscheidungsgegenstand vorläge.
Das Gericht zweiter Instanz wird demnach in sinngemäßer Anwendung der §§ 430, 423 ZPO eine gesonderte Bewertung des Entscheidungsgegenstands für jeden Verstoß nachzutragen haben (RIS-Justiz RS0041371). Je nach dem Ergebnis der Bewertung wird das Rechtsmittel der verpflichteten Parteien - allenfalls nach einem Verbesserungsversuch (RIS-Justiz RS0109501) - als Abänderungsantrag (§ 528 Abs 2a iVm § 508 ZPO) vom Gericht zweiter Instanz zu behandeln oder als außerordentlicher Revisionsrekurs (§ 528 Abs 2a iVm § 507b Abs 3 ZPO) wieder dem Obersten Gerichtshof vorzulegen sein.
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und den Hofrat Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Ruggenthaler Rechtsanwalts KG in Wien, wider die verpflichteten Parteien 1. M***** „Ö*****“ GmbH und 2. W***** F*****, beide vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (§ 355 EO), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der verpflichteten Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 46 R 631/09y-14, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 68 E 4747/09m-4, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Den verpflichteten Parteien wurde mit einstweiliger Verfügung des Handelsgerichts Wien vom , AZ 19 Cg 144/08k, geboten, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen Leserzahlen bzw Reichweiten für die Tageszeitung „Ö*****“ zu behaupten, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, die nicht erweislich zutreffen und/oder insofern irreführend unvollständig sind, als im Zusammenhang mit der Angabe solcher Daten keine entsprechende Quelle genannt und/oder diese nicht hinreichend definiert wird, insbesondere ohne Hinweis auf eine zugrunde liegende Studie oder Umfrage oder deren Erhebungszeitraum die Anzahl der Leser der Tageszeitung „Ö*****“ mit 1,3 Millionen anzugeben.
Die betreibende Partei beantragte die Bewilligung der Unterlassungsexekution mit dem wesentlichen Vorbringen, die verpflichteten Parteien - der Zweitverpflichtete sei Geschäftsführer der Erstverpflichteten und Herausgeber der genannten Tageszeitung - hätten auf der Titelseite einer Sonderbeilage der Ausgabe der genannten Tageszeitung vom gegen die einstweilige Verfügung verstoßen, indem sie veröffentlicht und verbreitet hätten: „1,7 Millionen Leser vertrauen jede Woche Ö*****“, und damit eine unrichtige Reichweitenbehauptung ohne jede Quellenangabe aufgestellt; weiters hätten sie in einer Sonderbeilage der Ausgabe der Tageszeitung vom die unter der Überschrift „Ein Danke an unsere 702.000 Leser“ geschrieben: „Wir begrüßen zu unserem 3. Geburtstag somit 170.000 neue Leser bei Ö*****“, was unrichtig sei und in beiden Aussagen einer Quellenangabe entbehrt habe; schließlich in der Ausgabe der Tageszeitung vom unrichtig unter der Überschrift „Media-Analyse 08/09“ in einem Artikel mit der Überschrift „860.000 Leser für Ö*****“ und der Subunterschrift „In Wien bereits 25,6 Prozent Reichweite - jeder Vierte als Leser“ behauptet, bei den Unter-30-jährigen Wienern liege die Reichweite schon fast bei 30 Prozent, obwohl die Reichweite nur 24,9 % betrage.
Das Erstgericht bewilligte - nach Einholung einer Äußerung der verpflichteten Parteien zu den Strafzumessungsgründen gemäß § 358 Abs 2 EO - wegen der drei Verstöße die Exekution gemäß § 355 EO und verhängte eine Geldstrafe von jeweils 6.000 EUR.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der verpflichteten Partei nicht Folge; jenem der betreibenden Partei dagegen teilweise Folge und erhöhte die über die verpflichteten Parteien verhängte Geldstrafe auf jeweils 30.000 EUR; es bewertete den Entscheidungsgegenstand bei jedem einzelnen Verstoß mit 30.000 EUR übersteigend und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs der verpflichteten Parteien ist gemäß § 78 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Ein Verstoß gegen das Absorptionsprinzip (RIS-Justiz RS0013533), nach dem für den Fall der Behauptung mehrere Verstöße pro Antrag (und nicht mehr pro Strafverfügung: 3 Ob 187-199/93) nur eine Geldstrafe von höchstens 100.000 EUR verhängt werden darf (§ 359 Abs 1 EO), liegt nicht vor. Davon ist das Rekursgericht ebenso wenig abgewichen wie das Exekutionsgericht. Dass die zur Ermittlung der Strafhöhe angestellten Erwägungen offengelegt wurden, kann daran nichts ändern. Die Strafhöhe ist von der Anzahl der Verstöße beeinflusst; ein mehrfaches Zuwiderhandeln ist bei der Bemessung der Strafe zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0013516 [T2]; RS0030819). Nur in diesem Sinn sind die Ausführungen des Rekursgerichts zur Strafhöhe zu verstehen. In Anbetracht des dreifachen Verstoßes gegen den Exekutionstitel ist darin eine dem Rekursgericht unterlaufene korrekturbedürftige Fehlbeurteilung nicht erkennbar. Generell bilden Fragen der Strafbemessung im Hinblick auf deren Einzelfallbezogenheit regelmäßig keine erheblichen Rechtsfragen (stRsp, RIS-Justiz RS0012388 [T1]).
2. Schon die (rechtskräftige) einstweilige Verfügung, die den Exekutionstitel bildet, stützt sich gegenüber dem Zweitverpflichteten darauf, dass er einerseits (alleinvertretungsbefugter) Geschäftsführer der Erstverpflichteten und andererseits Herausgeber der fraglichen Tageszeitung sei. Dem entsprechen die Behauptungen im Exekutionsantrag. Damit und durch das ausdrückliche Vorbringen, auch der Zweitverpflichtete sei für die beanstandeten Äußerungen in den genannten Funktionen verantwortlich, wird ein Verstoß auch des Zweitverpflichteten gegen das Verbot hinreichend konkret behauptet (vgl 3 Ob 168/99y = SZ 72/194; 3 Ob 72/05t). Auf die entsprechend § 358 Abs 2 EO nur zu den Strafzumessungsgründen freigestellte Äußerung kann im Zusammenhang mit der Frage des behaupteten Verstoßes durch den Zweitverpflichteten nicht Bedacht genommen werden. Umso weniger kann es darauf ankommen, ob die betreibende Partei einem solchen unzulässigen Vorbringen widersprach. Dass der Zweitverpflichtete den als Zuwiderhandlung behaupteten Sachverhalt nicht (oder nicht schuldhaft) verwirklicht habe, kann er nicht im Rekursverfahren geltend machen (RIS-Justiz RS0116292; RS0107694).
Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 78 EO iVm § 528a und § 510 Abs 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Exekutionsrecht, |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00133.10W.0804.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAD-38532