Rückforderung der Familienbeihilfe bei Überschreitung der Einkommensgrenze
Rechtssätze
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Stammrechtssätze | |
RV/3100749/2019-RS1 | Bei einem Studium an einer österreichischen Universität liegt eine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung immer dann vor, wenn die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 lit b bzw § 6 Abs 2 lit a FLAG 1967 hinsichtlich des Studienfortganges erfüllt sind.
Dies unabhängig davon, ob neben dem Studium eine Voll- oder Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird. |
RV/3100749/2019-RS2 | Hinsichtlich der Berechnung des zu versteuernden Einkommens verweist § 6 Abs 3 FLAG 1967 auf § 33 Abs 1 EStG 1988. Diese Gesetzesbestimmung bezieht sich auf das Einkommen und regelt - bezogen auf eine nichtselbständige Tätigkeit - die Besteuerung von laufenden Bezügen und sonstigen Bezügen, die dem laufenden Bezug zuzurechnen bzw wie ein laufender Bezug zu versteuern sind (siehe dazu § 67 EStG 1988, insbesondere die Absätze 9 und 10 dieser Bestimmung). Nach dem EStG 1988 nicht steuerbare bzw steuerfreie und mit festen Steuersätzen zu versteuernde Bezugsbestandteile oder besonders besteuerte Bezüge nach § 69 EStG 1988 bzw nach dem EStG 1988 steuerfreie Leistungen Dritter haben außer Ansatz zu bleiben. |
RV/3100749/2019-RS3 | Im Regelfall stimmt das zu versteuernde Einkommen iSd § 6 Abs 3 FLAG 1967 mit dem im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkommen überein. Unter dem Begriff „Regelfall“ ist aber nur jener Fall zu verstehen, in dem ganzjährig Familienbeihilfe bezogen wurde und bei der Einkommensteuerberechnung nicht besondere Vorschriften, wie zB jene des § 3 Abs 2 EStG 1988 („Progressionsvorbehalt“ und „Kontrollrechnung“), zur Anwendung kommen. |
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter R****** in der Beschwerdesache B****** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen
zu Recht erkannt:
I.
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
II.
Der angefochtene (Sammel-)Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
III.
Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
1. Verfahrensgang:
Mit Bescheid vom forderte das Finanzamt von der Beihilfenbezieherin die an sie im Selbstbezug ausbezahlte Familienbeihilfe für den Zeitraum Jänner bis November 2018 samt Kinderabsetzbeträgen zurück. Begründet wurde diese Entscheidung mit dem Hinweis auf § 5 Abs 1 FLAG 1967 in der ab Jänner 2011 gültigen Fassung, wonach Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet und die in einem Kalenderjahr ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs 1 EStG 1988) bezogen haben, das den Betrag von 10.000 Euro übersteige, keinen Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Ohne weitere Ausführungen und Darstellungen wurde sodann lediglich ausgeführt: "Da Sie die Einkommensgrenze im Kalenderjahr 2018 überschritten haben, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe."
Gegen diesen Bescheid erhob die Beihilfenbezieherin fristgerecht Beschwerde. Dem beiliegenden Einkommensnachweis sei zu entnehmen, dass im Zeitraum [MM-MM] 2018 ein zu versteuerndes Einkommen von € 8.890,27 bezogen worden sei. Vom "Gesamtbetrag der Einkünfte" in Höhe von € 15.556,80 wären die steuerfreien Einkünfte "Weiterbildungsgeld" in Höhe von € 3.052,80, Werbungskosten und Sonderausgaben in Abzug zu bringen. Da die Einkommensgrenze des § 5 Abs 1 FLAG 1967 somit nicht überschritten worden sei, habe für den Zeitraum [MM-MM] 2018 ein Anspruch auf den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen bestanden. Beigelegt wurde eine Aufstellung "Einkommensnachweis [MM-MM] 2018", mit welcher die Berechnung dargestellt wurde. Demnach hätte die Beihilfenbezieherin (Berechnung adaptiert durch das Bundesfinanzgericht) folgende "Einkünfte" erzielt:
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aus Dienstverhältnis 1 | € 4.895,31 | |
aus Dienstverhältnis 2 | € 9.462,23 | |
Weiterbildungsgeld | € 3,052,80 | |
gesamt | € 17.410,34 | |
davon wären abzuziehen | ||
"Einkünfte [Monat2]" | - € 1.853,54 | |
steuerfreie Bezüge | - € 3.052,80 | |
Werbungskosten (ohne Werbungskosten [Monat2]) | - € 2.998,72 | |
Sonderausgaben | - € 615,01 | |
gesamt | - € 8.520,07 | |
Summe | € 8.890,27 |
Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Wiederum zitierte das Finanzamt die Bestimmung des § 5 Abs 1 FLAG 1967 und leitete aus § 2 Abs 1 lit b FLAG 1967 ab, dass ein Beihilfenanspruch nur dann bestehe, wenn die Vorbereitung auf die Ablegung der Prüfungen die volle Zeit des Kindes in Anspruch nehme. Weiters führte das Finanzamt ohne Bezugnahme auf eine konkrete Gesetzesstelle aus, dass für die Beurteilung, ob der maßgebliche Betrag von 10.000 Euro überschritten werde, "der Anspruchszeitraum 1-12/2018 heranzuziehen" sei. Die Beschwerdeführerin gehe seit Jänner 2018 einer Vollzeitbeschäftigung nach und habe daraus auch Einkünfte bezogen, welche die maßgebliche Einkommensgrenze, "auf den Anspruchszeitraum 1-12/2018 ausgelegt, bei weitem überschreiten". Außerdem werde "bei einer Vollzeitbeschäftigung davon auszugehen sein, dass nicht das Studium die Haupttätigkeit der Berufungswerberin" darstelle.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht und widersprach den Ausführungen des Finanzamtes. Sie sei keiner Vollzeitbeschäftigung, sondern neben ihrem Studium einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen. Aus den Studienerfolgsnachweisen wäre ersichtlich, dass sie "weit mehr als die erforderlichen ECTS-Punkte erreicht" habe. Auch hätte das Studium ihre überwiegende Zeit in Anspruch genommen.
Zum Anspruchszeitraum führte sie aus, dass sie im [Monat] 2018 das 24. Lebensjahr vollendet hätte, weshalb der Anspruch ab [Monat2] 2018 weggefallen sei und sie keine Familienbeihilfe mehr beziehen habe können.
Eine Überschreitung der Einkommensgrenze habe "nicht stattgefunden". Nach einer neuen Berechnung habe ihr Einkommen im Zeitraum [MM-MM] 2018 nunmehr € 8.770,15 betragen. Auch sei nicht einzusehen, weshalb die gesamte Familienbeihilfe zurückgefordert werde, zumal § 5 FLAG 1967 vorsehe, dass nur jene Beträge zurückgefordert werden könnten, die über der Einkommensgrenze liegen würden.
Beigelegt waren dem Vorlageantrag der bereits im Rahmen der Beschwerde vorgelegte "Einkommensnachweis [MM-MM] 2018", Bezugsabrechnungen des zweiten Arbeitgebers für die Monate [MM2-MM2] 2018, eine "Bestätigung des Studienerfolges" mit Erstellungsdatum sowie der Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr 2018.
Das Finanzamt legte dem Bundesfinanzgericht die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens zur Entscheidung vor und beantragte unter Hinweis auf ein "Einkommen 2018" von € 13.620,58 die Abweisung.
2. Sachverhalt und Beweiswürdigung:
a) Die Beschwerdeführerin wurde am [Geb.Dat.] geboren und vollendete das 24. Lebensjahr somit im [Monat] 2018.
b) Die Beschwerdeführerin war seit dem Wintersemester 2016/17 an einer Universität zum Bachelorstudium Wirtschaftsrecht zugelassen und bezog (nach den auf sie grundsätzlich und unbestritten zutreffenden Bestimmungen des § 6 FLAG 1967) Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge für sich selbst.
c) Nach der vorliegenden Bestätigung über den Studienerfolg wurden im Kalenderjahr 2018 Prüfungen im Ausmaß von über 40 ECTS-Punkten abgelegt. Darüber hinaus wurde das im Wintersemester 2016/17 begonnene Studium sowohl im ersten Studienjahr erfolgreich betrieben, als auch im Jahr 2019. 2019 wurden bis Ende des Sommersemesters Prüfungen im Ausmaß von 35,5 ECTS-Punkten abgelegt. In allen drei Studienjahren wurden somit jeweils Prüfungserfolge von (weit) mehr als 16 ECTS-Punkten erzielt.
d) Das Finanzamt begründete die Rückforderung einerseits mit dem Vorliegen eines zu hohen Einkommens, andererseits mit dem Umstand, dass neben dem Studium einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wurde. Das Fehlen von (anderen) Anspruchsgründen oder das Bestehen von (anderen) Ausschlussgründen wurde weder behauptet, noch ergeben sich diesbezüglich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt entsprechende Hinweise.
e) Der Beihilfenanspruch der Beschwerdeführerin endete (jedenfalls) mit Vollendung des 24. Lebensjahres im [Monat] 2018. Gründe für einen (potentiell) längeren Anspruch lagen nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin im Vorlageantrag nicht vor und blieb dieser Umstand durch das Finanzamt unbestritten.
f) Die Beschwerdeführerin stand von [M-M] 2018 in einem Dienstverhältnis zu einem Arbeitgeber. Der von diesem übermittelte Lohnzettel weist unter der Kennzahl 245 steuerpflichtige laufende Bezüge von € 4.895,31 aus. Ab [M] 2018 war die Beschwerdeführerin bei einem anderen Arbeitgeber nichtselbständig tätig. Der von diesem Arbeitgeber übermittelte Lohnzettel weist unter der Kennzahl 245 steuerpflichtige laufende Bezüge von € 9.462,23 aus. Im [Monat2] 2018 wurden aus diesem Dienstverhältnis nach der von der Beschwerdeführerin vorgelegten Bezugsabrechnung steuerpflichtige laufende Bezüge von € 1.853,54 erzielt.
Ob es sich bei diesen Dienstverhältnissen um Vollzeit- (wie sich aus der eingeholten Lohnzettelauskunft ergibt) oder Teilzeitbeschäftigungen (wie von der Beschwerdeführerin behauptet) gehandelt hat, kann auf Grund der vorliegenden Unterlagen nicht festgestellt werden. Eine Erhebung des tatsächlichen Sachverhaltes erübrigt sich jedoch (siehe unten Pkt 4. Erwägungen lit b).
g) Nach den unbestrittenen und durch den Einkommensteuerbescheid 2018 bestätigten Angaben der Beschwerdeführerin bezog sie im Kalenderjahr 2018 Weiterbildungsgeld nach § 26 AlVG in Höhe von € 3.052,80. Zudem entstanden nach dem Einkommensteuerbescheid im Jahr 2018 anzuerkennende Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte, in Höhe von € 3.118,84, wobei die Beschwerdeführerin in der Beschwerde angab, dass davon ein Betrag von € 120,12 im Monat [Monat2] 2018 angefallen ist. Auch wenn in der Berechnung im Vorlageantrag (im Widerspruch zum diesem beigelegten "Einkommensnachweis") dieser Betrag ebenfalls den Monaten [MM-MM] 2018 zugeordnet wurde, geht das Bundesfinanzgericht von der Richtigkeit der ersterstatteten Angaben aus, sodass für den Zeitraum [MM-MM] 2018 tatsächlich (zusätzliche) Werbungskosten in Höhe von € 2.998,72 vorliegen.
h) Ob die Beschwerdeführerin Vollwaise oder einer Vollwaisen nach § 6 Abs 5 FLAG 1967 gleichgestellt ist, geht aus dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht hervor. Nachdem aber dem Grunde nach eine Anspruchsberechtigung im Eigenbezug nicht strittig ist, kann auf diesbezügliche nähere Feststellungen verzichtet werden.
3. Rechtslage:
Nach § 6 Abs 1 FLAG 1967 haben auch minderjährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn
a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,
b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und
c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Volljährige Vollwaisen haben nach Abs 2 lit a der zitierten Gesetzesstelle Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs 1 lit a bis c zutreffen und wenn sie das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und für einen Beruf ausgebildet werden oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. § 2 Abs 1 lit b zweiter bis letzter Satz FLAG 1967 sind anzuwenden.
Gemäß § 6 Abs 3 FLAG 1967 führt ein zu versteuerndes Einkommen (§ 33 Abs 1 EStG 1988) einer Vollwaise bis zu einem Betrag von 10.000 € in einem Kalenderjahr nicht zum Wegfall der Familienbeihilfe. Übersteigt das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs 1 EStG 1988) der Vollwaise in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem die Vollwaise das 19. Lebensjahr vollendet hat, den Betrag von 10.000 €, so verringert sich die Familienbeihilfe, die der Vollwaise nach § 8 Abs 2 einschließlich § 8 Abs 4 FLAG 1967 gewährt wird, für dieses Kalenderjahr um den 10.000 € übersteigenden Betrag. § 10 Abs 2 ist nicht anzuwenden. Bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 33 Abs 1 EStG 1988) der Vollwaise bleibt nach lit a leg cit ua das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, außer Betracht.
Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, haben nach Abs 5 der in Rede stehenden Gesetzesbestimmung unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (§ 6 Abs 1 bis 3 FLAG 1967).
Nach § 2 Abs 2 EStG 1988 ist das Einkommen der Gesamtbetrag der Einkünfte aus den im Abs 3 der zitierten Bestimmung aufgezählten Einkunftsarten nach Ausgleich mit Verlusten, die sich aus einzelnen Einkunftsarten ergeben, und nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18 EStG 1988) und außergewöhnlichen Belastungen (§§ 34 und 35 EStG 1988) sowie der Freibeträge nach den §§ 105 und 106a EStG 1988.
Abs 3 der genannten Bestimmung normiert, dass ua Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 25 EStG 1988) der Einkommensteuer unterliegen.
Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach vorstehendem Abs 3 sind nach § 2 Abs 4 Z 2 EStG 1988 der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 15 und 16 EStG 1988).
Gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (Arbeitslohn) ua Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Bei den Einkünften im Sinne des angesprochenen Abs 1 ist es nach Abs 2 leg cit unmaßgeblich, ob es sich um einmalige oder laufende Einnahmen handelt, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht und ob sie dem zunächst Bezugsberechtigten oder seinem Rechtsnachfolger zufließen.
§ 33 Abs 1 EStG 1988 bestimmt für näher ausgeführte Einkommensteile die Höhe der Einkommensteuer in Form eines Stufentarifes.
Nach § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG 1988 sind das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretende Ersatzleistungen von der Einkommensteuer befreit. § 26 Abs 8 AlVG normiert dazu, dass das Weiterbildungsgeld nach § 26 AlVG als Ersatzleistung gemäß § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG 1988 gilt.
Dazu bestimmt § 3 Abs 2 EStG 1988 ergänzend, dass wenn der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des ua Abs 1 Z 5 lit a nur für einen Teil des Kalenderjahres erhält, ua die für das restliche Kalenderjahr bezogenen zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen sind. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.
Wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen (§ 26 Abs 1 FLAG 1967).
Nach § 33 Abs 3 EStG 1988 steht Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig außerhalb eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines Staates des Europäischen Wirtschaftsraumes oder der Schweiz aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden.
4. Erwägungen:
a) Eingangs ist festzuhalten, dass das Finanzamt sowohl im Erstbescheid, als auch in der Beschwerdevorentscheidung für den gegenständlichen Fall nicht nur nicht zutreffende Gesetzesstellen herangezogen hat, sondern diese auch noch in einer Fassung zitierte, für das Jahr 2018 bereits nicht mehr in Geltung stand.
Im vorliegenden Fall sind die oben angeführten Bestimmungen des FLAG 1967 in der angegebenen Fassung für den Eigenbezug von Familienbeihilfe anzuwenden.
Danach würde der Anspruch auf Familienbeihilfe in einem Kalenderjahr, das nach dem Kalenderjahr liegt, in dem das Kind das 19. Lebensjahr vollendet hat, nur in jenem Ausmaß wegfallen, in dem das zu versteuernde Einkommen (§ 33 Abs 1 EStG 1988) den Betrag von € 10.000 übersteigt.
Zudem bleibt bei der Berechnung des zu versteuernden Einkommens das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, außer Betracht.
b) Im vorliegenden Fall basiert der Anspruch auf Familienbeihilfe auf § 6 Abs 2 lit a erster Tatbestand FLAG 1967, nämlich dem Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin in Berufsausbildung befunden hat.
Das Finanzamt behauptet in der Beschwerdevorentscheidung ohne Nennung von Quellen (Gesetz, Judikatur, Literatur), dass bei einer Vollzeitbeschäftigung davon auszugehen sei, dass das Studium nicht die Haupttätigkeit darstelle und vermeint offenbar damit, dass ein Beihilfenbezug grundsätzlich nicht gegeben sei, wenn die Berufsausbildung neben einer Vollzeitbeschäftigung betrieben werde. Damit irrt das Finanzamt jedoch, da der Gesetzgeber mit der Änderung des § 2 Abs 1 lit b FLAG durch das Bundesgesetz BGBl 311/1992 für den Besuch der in § 3 des Studienförderungsgesetzes genannten Einrichtungen Kriterien festgelegt hat, wann ein Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird (vgl etwa ). Diese Bestimmungen gelten auch für § 6 Abs 2 lit a FLAG 1967 und liegt daher bei einem Studium an einer österreichischen Universität eine ernsthafte und zielstrebige Berufsausbildung immer dann vor, wenn die Voraussetzungen hinsichtlich des Studienfortganges erfüllt sind (vgl dazu etwa ).
Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Studium sowohl im ersten Studienjahr (2016/17), als auch im zweiten (2017/18) und - soweit erkennbar - auch im dritten (2018/19) Studienjahr die Voraussetzungen und Kriterien nach § 2 Abs 1 lit b zweiter bis letzter Satz FLAG 1967 erbracht und stand daher im Zeitraum [MM-MM] 2018 unabhängig davon, ob sie in dieser Zeit einer Vollzeit- oder Teilzeiterwerbstätigkeit nachgegangen ist - in Berufsausbildung (siehe dazu auch ).
c) Befand sich die Beschwerdeführerin im streitgegenständlichen Zeitraum somit in Berufsausbildung und lagen alle weiteren Anspruchsvoraussetzungen für den Eigenbezug der Familienbeihilfe vor, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob allfällige Ausschlussgründe dem Bezug der Familienbeihilfe bzw Teilen davon entgegenstehen. Das Finanzamt vermeint nunmehr, dass (einzig) auf Grund der Höhe des im Jahr 2018 von der Beschwerdeführerin erzielten Einkommens ein unrechtmäßiger Bezug gegeben sei.
d) In diesem Zusammenhang vertritt das Finanzamt die Meinung, dass für die Beurteilung des Vorliegens eines unrechtmäßigen Bezuges von Familienbeihilfe im Zeitraum [MM-MM] 2018 das im gesamten Jahr 2018 erzielte Einkommen heranzuziehen ist.
Damit entfernt sich das Finanzamt vom klaren und eindeutigen Gesetzestext des § 6 Abs 3 lit a FLAG 1967, wonach das zu versteuernde Einkommen, das vor oder nach Zeiträumen erzielt wird, für die Anspruch auf Familienbeihilfe besteht, bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens außer Betracht zu bleiben hat.
Da die Beschwerdeführerin im [Monat] 2018 ihr 24. Lebensjahr vollendete, bestand ab [Monat2] 2018 kein Anspruch auf Familienbeihilfe nach § 6 Abs 2 lit a FLAG 1967 mehr und wurde weder vom Finanzamt noch von der Beschwerdeführerin behauptet, dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe für den Monat [Monat2] 2018 aus anderen Gründen bestehen würde. Daraus folgt unbestreitbar, dass es sich bei den Bezügen des Monats [Monat2] 2018 um solche handelt, die nach Zeiträumen erzielt wurden, für die Anspruch auf Familienbeihilfe bestanden hat. Aus diesem Grund müssen die Bezüge des Monats [Monat2] 2018 bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nach § 6 Abs 3 lit a FLAG 1967 außer Betracht bleiben.
e) Hinsichtlich der Berechnung des zu versteuernden Einkommens verweist § 6 Abs 3 FLAG 1967 auf § 33 Abs 1 EStG 1988. Diese Gesetzesbestimmung bezieht sich auf das Einkommen und regelt - bezogen auf eine nichtselbständige Tätigkeit - die Besteuerung von laufenden Bezügen und sonstigen Bezügen, die dem laufenden Bezug zuzurechnen bzw wie ein laufender Bezug zu versteuern sind (siehe dazu § 67 EStG 1988, insbesondere die Absätze 9 und 10 dieser Bestimmung). Nach dem EStG 1988 nicht steuerbare bzw steuerfreie und mit festen Steuersätzen zu versteuernde Bezugsbestandteile oder besonders besteuerte Bezüge nach § 69 EStG 1988 bzw nach dem EStG 1988 steuerfreie Leistungen Dritter haben außer Ansatz zu bleiben (vgl dazu auch Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 5 Tz 4).
Die Berechnung des zu versteuernden Einkommens iSd im vorliegenden Fall einschlägigen Bestimmungen des FLAG 1967 hat daher ausgehend von der Kz 245 der Jahreslohnzettel zu erfolgen und sind die sich daraus ergebenden Beträge um zusätzliche Werbungskosten, die der Arbeitgeber bei der Lohnverrechnung nicht berücksichtigt hat bzw berücksichtigen konnte, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen zu vermindern.
f) Im Regelfall stimmt das zu versteuernde Einkommen iSd § 6 Abs 3 FLAG 1967 daher mit dem im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einkommen überein. Unter dem Begriff "Regelfall" ist aber nur jener Fall zu verstehen, in dem ganzjährig Familienbeihilfe bezogen wurde und bei der Einkommensteuerberechnung nicht besondere Vorschriften, wie zB jene des § 3 Abs 2 EStG 1988 ("Progressionsvorbehalt" und "Kontrollrechnung"), zur Anwendung kommen.
Im vorliegenden Fall hatte das Finanzamt die Einkommensteuerveranlagung wegen des Bezuges von Weiterbildungsgeld unter Berücksichtigung der Bestimmungen des § 3 Abs 2 EStG 1988 durchzuführen. Dabei wurde die Einkommensteuer, wie sich aus der Begründung des Einkommensteuerbescheides ergibt, unter Anwendung der "günstigeren Kontrollrechnung" berechnet. Dies bedeutet, dass (ausschließlich) für die Berechnung der Einkommensteuer das steuerfreie Weiterbildungsgeld fiktiv als steuerpflichtig behandelt und die Einkommensteuer auf Basis eines fiktiven (Jahres-)Einkommens von € 13.620,58 mit einer Gutschrift von € 895,00 berechnet wurde, weil sich bei Anwendungen des Progressionsvorbehaltes offenbar eine geringere Gutschrift ergeben hätte. Dieses der Einkommensteuerberechnung zu Grunde gelegte fiktive (Jahres-)Einkommen wurde im Einkommensteuerbescheid (möglicherweise aus Gründen der automationsunterstützen Verarbeitung und der auf Sonderfälle keine Rücksicht nehmenden standardisierten Bescheidgestaltung) auch als Einkommen des Jahres 2018 ausgewiesen.
Damit ist aber offensichtlich, dass der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesene Betrag nicht dem zu versteuernden Einkommen nach § 6 Abs 3 FLAG 1967 gleichgesetzt werden kann.
g) Die Berechnung des zu versteuernden Einkommens nach § 6 Abs 3 FLAG 1967 der Beschwerdeführerin für das gesamte Jahr 2018 hat entsprechend der obigen Ausführungen jedenfalls ohne Berücksichtigung des steuerfreien Weiterbildungsgeldes zu erfolgen und beträgt demnach € 10.567,78 (im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenes Einkommen von € 13.620,58 abzüglich fiktiv steuerpflichtig behandeltes, tatsächlich aber steuerfreies Weiterbildungsgeld in Höhe von € 3.052,80).
h) Entsprechend der Bestimmung des § 6 Abs 3 lit a FLAG 1967 iVm dem Enden des Beihilfenanspruches nach § 6 Abs 2 lit a FLAG 1967 mit Ablauf des [Monat] 2018 hat hat im vorliegenden Fall zur Prüfung der Einkommensgrenze des § 6 Abs 3 FLAG 1967 das Einkommen des Monats [Monat2] 2018 außer Betracht zu bleiben. Dh das zu versteuernde Einkommen ist um die Bezüge des Monats [Monat2] 2018 zu kürzen und um die in diesem Monat angefallenen Werbungskosten sowie Sonderausgaben zu erhöhen (vgl Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg), § 5 Tz 5).
Im Erkenntnis , hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt: "Da die belangte Behörde das Einkommen des gesamten Jahres herangezogen hat, das nach März 2005 erzielte Einkommen aber außer Betracht zu bleiben gehabt hätte, war der angefochtene Bescheid insoweit, als der Berufung nicht Folge gegeben wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben." Zur Rechtlage der Jahre 2006 bis 2008 hat der Verwaltungsgerichtshof (vgl ) ausgesprochen, dass die belangte Behörde aus dem gesamten, vom Sohn der Mitbeteiligten für 2006 zu versteuernden Einkommen lediglich den für den Zeitraum nach § 2 Abs 1 lit d FLAG 1967 in der damals gültigen Fassung erzielten Anteil des Einkommens ausscheiden hätte dürfen. Dem Verwaltungsgerichtshof sei es nicht möglich, das Über- oder Unterschreiten der Einkommensgrenze zu prüfen, da den Feststellungen des angefochtenen Bescheides - zumal sie keine ausdrückliche Aussage treffen, ob die für den Zeitraum März bis Dezember 2006 erzielten Einkünfte für jeden Kalendermonat gleich hoch waren -, die Höhe der Einkünfte für bestimmte Monate nicht zu entnehmen wäre. Ergänzend wurde ausgeführt, dass sowohl Werbungskosten- als auch Sonderausgabenpauschale nur aliquot zu berücksichtigen sei.
Damit ist der Verwaltungsgerichtshof von seiner zu einer anderen Rechtslage ergangenen Rechtsprechung einer "monatsübergreifenden Durchschnittsbetrachtung" (vgl , unter Hinweis auf ) offenbar abgegangen. Im Übrigen liegen gegenständlich - bezogen auf das jeweilige Dienstverhältnis - keine stark schwankenden Bezüge vor.
i) Das zu versteuernde Einkommen ist nach einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen zu ermitteln und gilt dafür ua auch das Zu- und Abflussprinzip des § 19 EStG 1988. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass vom für das Jahr 2018 festgestellten tatsächlichen Einkommen von € 10.567,78 die Bezüge des Monats [Monat2] 2018 unter Berücksichtigung der damit zusammenhängenden Werbungskosten (lt Bezugsabrechnung) in Höhe von € 1.853,54 auszuscheiden sind, sodass sich ein Betrag von € 8.714,24 ergibt. Auch wenn man diesen Betrag um jene im Einkommensteuerbescheid zusätzlich berücksichtigten Werbungskosten, die nach den ursprünglichen Angaben der Beschwerdeführerin im [Monat2] 2018 geleistet wurden, im Ausmaß von € 120,12 erhöht, würde die Grenze des § 6 Abs 3 FLAG 1967 nicht erreicht werden. Ein erhöhender Ansatz von anteiligen Sonderausgaben unterbleibt, da diese nach den Angaben der Beschwerdeführerin und vom Finanzamt unbestritten nicht im [Monat2] 2018 geleistet wurden. Aber selbst wenn die gesamten Sonderausgaben erst im [Monat2] 2018 bezahlt worden wären, würde auch dann die Grenze des § 6 Abs 3 FLAG 1967 von € 10.000,00 nicht erreicht werden.
j) Zusammengefasst ergibt sich somit, dass die Beschwerdeführerin im relevanten Zeitraum [MM-MM] 2018 in Berufsausbildung gestanden ist und die Einkommensgrenze nicht überschritten wurde, sodass der Bezug der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages (§ 33 Abs 3 EStG 1988) nicht zu Unrecht erfolgt ist, weshalb der bekämpfte (Sammel-)Bescheid ersatzlos aufzuheben war.
5. Zulässigkeit einer Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall hat sich das Bundesfinanzgericht an der vorhandenen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes orientiert und entsprechend dieser entschieden. Auch die Beurteilung, ob ein im Einkommensteuerbescheid irreführender Weise ausgewiesenes (fiktives) Einkommen der Prüfung der Überschreitung der Einkommensgrenze nach § 6 Abs 3 FLAG 1967 zu Grunde zu legen ist, stellt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Die ordentliche Revision war daher nicht zuzulassen.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer FLAG |
betroffene Normen | § 6 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 6 Abs. 3 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 § 33 Abs. 3 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 AlVG, Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. Nr. 609/1977 § 33 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 2 Abs. 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 25 Abs. 1 Z 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 3 Abs. 1 Z 5 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 26 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2020:RV.3100749.2019 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at